Mensch. Gesellschaft. Meer.

Inklusions-Initiative

108’000 Unterschriften eingereicht

Menschen mit Behinderungen erleben im Alltag immer noch zahlreiche Diskriminierungen – etwa beim Wohnen, bei der Arbeit oder im öffentlichen Verkehr. Mit der Inklusions-Initiative fordern sie deshalb «die längst fällige rechtliche und tatsächliche Gleichstellung».

Mit einer großen, bunten Kundgebung wurde die Einreichung der Inklusions-Initiative gefeiert. / Foto: Amnesty International

Menschen mit Behinderungen wollen selbst entscheiden, wie und mit wem sie leben, sie wollen barrierefrei öffentliche Verkehrsmittel nutzen, arbeiten und ihre politischen Rechte wahrnehmen. Doch in der Schweiz kommt die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen nicht voran. Die Inklusions-Initiative will dies ändern: Sie fordert von Bund und Kantonen verbindliche Maßnahmen zur rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung.

Freie Wahl von Wohnort und Wohnform

Die Inklusions-Initiative fordert die freie Wahl des Wohnortes und der Wohnform. Viele Menschen mit Behinderungen möchten selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben. Sie würden aber daran gehindert werden, teilt die NGO Amnesty International in einem Schreiben mit. Noch immer seien viele Unterstützungsgelder an Institutionen gebunden. Dabei sei selbstbestimmtes Wohnen mit Assistenz bei mehr Lebensqualität oft sogar kostengünstiger. Hinzu komme, dass heute der Wechsel des Wohnkantons nicht problemlos möglich ist. Eine massive Einschränkung der Grundrechte.

Zwar gibt es heute bereits Assistenzleistungen, diese greifen aber klar zu kurz. Eine Person mit einer Sprachbehinderung zum Beispiel kann sich heute nicht die verbale Assistenz leisten, die sie zum Arbeiten braucht. Eine gehörlose Person, die sich politisch engagieren will, erhält nicht die benötigte Gebärdensprachdolmetschung. Betroffene bleiben von einem Teil des Lebens ausgeschlossen. Die Inklusions-Initiative verlangt deshalb, dass Menschen mit Behinderungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Assistenz, Hilfsmittel und Anpassungsmaßnahmen erhalten, die für ihre tatsächliche Gleichstellung nötig ist.

Meilenstein für barrierefreie Demokratie

Gelebte Inklusion ist das Ziel der Schweizer Initiative. Die Initiative wurde von Betroffenen lanciert und von einem breiten, überparteilichen Netzwerk aus Bürgerkomitees, Behindertenverbänden und Organisationen getragen. Sie wurde gestern in Bern mit über 108’000 beglaubigten Unterschriften eingereicht. In Absprache mit der Bundeskanzlei wurde eine provisorische Rampe auf der Bundesterrasse gebaut, damit Menschen mit Behinderungen zum ersten Mal ihre Unterschriftenboxen ohne Hindernisse übergeben konnten – ein Meilenstein für eine barrierefreie Demokratie.

Nun ist die Politik am Zug. Der Bundesrat hat drei Monate Zeit, um mit einem Aussprachepapier auf die Inklusions-Initiative zu reagieren. ♦

Lesen Sie auch die Serie «Inklusion» von Tentakel

Dieser Text hat Ihnen gefallen?
Die Inhalte von Tentakel sind frei verfügbar. Vielen Dank, wenn Sie unsere Arbeit mit einem kleinen Beitrag unterstützen. Per Twint oder mit einem Klick auf den Button.

Jetzt Spenden