Gonso rekapituliert seine bisherigen Erkenntnisse über die Bewohner*innen des blauen Planeten, die nicht sehr vielversprechend sind. Dennoch kann er von einigen Artefakten berichten, die geradezu genial sind – zumindest für die Menschen, denen grundlegende universelle Fähigkeiten fehlen.
11. Juni 2024. In meinem letzten Funkspruch musste ich von einer herben Enttäuschung berichten. Als ich endlich geglaubt hatte, das Verhalten der Menschen nachvollziehen zu können, stellte sich heraus, dass alles nur ein Scherz gewesen war. Und doch hat mir das Ganze keine Ruhe gelassen.
Der blaue Ball ist in der Milchstraße zwar als Spezialfall bekannt, doch da es keine fundierten Studien über die «Andersartigkeit» der Erdbewohner gibt, beruhen alle Annahmen auf Gerüchten und Spekulationen. Ich ging davon aus, dass wir von den Menschen etwas lernen können und ein Austausch zwischen uns möglich wäre, wie wir ihn mit so vielen anderen Spezies im All pflegen. Schließlich haben die Wesen jedes Planeten im Lauf der Zeit unterschiedliche Fähigkeiten entwickelt, die für die jeweiligen Existenzbedingungen vor Ort besonders nützlich sind.
Es gibt viele Dinge, die die Menschen auf ganz einzigartige Art und Weise lösen.
Doch wenn ich meine bisherigen Befunde rekapituliere, stoße ich im Fall der Erdlinge nicht auf besonders viele Kompetenzen oder Erkenntnisse, die es sich zu exportieren lohnt. Ich habe festgehalten, dass willkürliche Abgrenzungen und Hierarchien konstruiert werden, die zu Konflikten und Gewalt führen, und zwar zwischen Individuen genauso wie zwischen Weltteilen → Funkspruch #1. Dass die am meisten gepriesenen Erfindungen der Menschen im Bereich, den sie «moderne Technologie» nennen, drohen, ihre eigene Lebensgrundlage zu zerstören → Funkspruch #2. Und dass eine ungesunde Überheblichkeit gegenüber anderen Spezies weit verbreitet ist, egal, ob es sich um andere Erd-Lebewesen → Funkspruch #4, Außerirdische (also uns) oder Seinsformen mit künstlicher Intelligenz handelt → Funkspruch #6.
Doch trotz alldem gibt es viele Dinge, die die Menschen auf ihre ganz einzigartige, man muss fast sagen charmante Art und Weise lösen – in der Regel, weil ihnen grundlegende Kompetenzen fehlen, die im restlichen All als Elementarkenntnisse gelten. Als einige der wichtigsten und «genialsten» Erfindungen der Erdbewohner dürfen folgende Vorrichtungen gelten:
♣ Die Glühbirne: ein fast kugelförmiger Behälter aus einem der zerbrechlichsten irdischen Materialen (recherchieren weshalb!!), gefüllt zu rund 80 Prozent mit Luft, zu rund 20 Prozent mit einem Gebilde aus «Metall», einer festen Substanz, die es ermöglicht, eine helle Strahlung zu erzeugen. Nötig ist diese Vorrichtung, weil die Menschen nicht über die Fähigkeit verfügen, ihre eigene Körperenergie in Φv umzuwandeln.
♣ Das Rad: zirkelförmiges Gebilde, das aus unterschiedlichen Materialien hergestellt werden kann und als eine Art Appendix an andere Geräte montiert wird, die der Fortbewegung dienen. Da der Mensch grundsätzlich sehr langsam ist, hat er früher oft Tiere für seinen Transport benutzt, ist aber inzwischen auf mechanische Vehikel umgestiegen. Unnötig zu sagen, dass diese Art von Ekin auch mit der einfachsten Teletransportation nicht vergleichbar ist.
♣ Die Fotokamera: fast kubischer Apparat, mit dem ein visuelles Faktum festgehalten werden kann. Die Weiterentwicklung davon besteht in der Videokamera, bei der sich die Aufnahme nicht nur auf einen Raum-Zeit-Bruchteil beschränkt, sondern ein Kontinuum von einer bestimmten Dauer erfasst und währenddessen sogar f=v/λ aufgezeichnet wird. Doch auch die neusten Kameras sind nicht in der Lage, die weiteren Grundkomponenten zu berücksichtigen, die für eine vollständige Momentaufnahme nötig wären.
(Anmerkung: Unter den Menschen herrscht der Konsens, dass sie nur fünf Typen von «Reizen» wahrnehmen können, und zwar über ihre fünf «Sinnesorgane». Es dürfte noch einige Evolutionszyklen in Anspruch nehmen, bis sich die Erkenntnis durchsetzt, dass selbst die Erdbewohner über eine ganze Reihe von weiteren Fühlern und Antennen verfügen und sie auch nutzen könnten, wenn sie nur entsprechend trainiert würden.)
♣ Das Internet: ein Wissensspeicher, der dem Menschen auf Grund seiner geistigen Eingeschränktheit fast unendlich groß erscheint und auf den mittels Geräten unterschiedlicher Form und Größe zugegriffen werden kann. Es handelt sich sozusagen um eine Mini-Version des kosmischen Wissensspeichers, den die Bewohner der meisten Galaxien direkt und ohne die Hilfe von Gerätschaften abrufen können. Die umfassende und in der Tat unendliche Sphäre des ακαζΗα haben die Menschen jedoch noch nicht erforscht und weigern sich sogar, an sie zu «glauben». Die wenigen Hochgelehrten, die eine Ahnung davon erhascht haben, werden als verblendet statt als erleuchtet betrachtet.
♣ Die Gummiente: ein in vielen Weltteilen verbreitetes Artefakt, dessen Nutzen oder Zweck weitgehend unbekannt ist. Auf Grund meiner Nachforschungen gehe ich davon aus, dass es sich um ein Relikt aus einer Epoche handelt, in der die Ente als höchster Spirit angebetet wurde – was nicht verwunderlich wäre, weil sie ein Tier ist, das sich ohne äußerliche Hilfsmittel im Wasser, in der Luft und auf der Erde fortbewegen kann. Heute wird die Gummiente als eine Art Schutzamulett eingesetzt, wenn die Menschen ein bestimmtes Reinigungsritual durchführen, bei dem sie sich in einen mit Wasser gefüllten Behälter legen. Zweifellos, um das Risiko zu vermindern, dabei zu ertrinken. ♦
Aufgezeichnet von Nicole Maron
Dieser Text hat Ihnen gefallen?
Die Inhalte von Tentakel sind frei verfügbar. Vielen Dank, wenn Sie unsere Arbeit mit einem kleinen Beitrag unterstützen. Per Twint oder mit einem Klick auf den Button.