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Konzernverantwortung

Neuer Nachhaltigkeits-Index für Unternehmen

Achten Sie beim Einkauf auf Öko-Labels? Ist überall Bio drin, wo Bio draufsteht? Muss Nachhaltigkeit teuer sein? Welchen ökologischen Fußabdruck hinterlässt der Arbeitgeber? Um diese Fragen zu beantworten und mehr Transparenz bei Unternehmen zu schaffen, wird in Österreich zurzeit ein umfassender Nachhaltigkeits-Index aufgebaut.

Illustration: Geralt

Frau Bewusst und Herr Nachhaltig nehmen immer eine Lupe mit in den Supermarkt. Anders kann man das Kleingedruckte auf den Packungen, Flaschen und Tüten ja nicht lesen. Auch das Handy legen sie beim Einkaufen nie aus der Hand. Schließlich muss vor dem Kauf recherchiert werden, was die ganzen Labels und Siegel bedeuten: Bio, Fairtrade, nachhaltige Fischerei, gentechfrei, klimaschonend, Öko, regional, Natur Pur. Denn dass ein Label gut aussieht oder Schlagworte wie «zertifiziert» oder «kontrolliert» verwendet, heißt das noch lange nicht, dass es das garantiert, was man sich darunter vorstellen könnte. «Naturnah» beispielsweise oder «aus kontrolliertem Anbau» sind Bezeichnungen, die nicht geschützt sind. Das heißt: Sie unterliegen keinen gesetzlichen Definitionen und können beliebig verwendet werden.

Doch auch den offiziellen Zertifizierungen liegen unterschiedliche Richtlinien und Kriterien zu Grunde. Die Bio-Richtlinien der EU zum Beispiel garantieren, dass keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, maximal 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Bestandteile im Produkt enthalten sind, mindestens 95 Prozent der Zutaten aus biologischem Anbau stammen und die Tierfütterung ohne Antibiotika oder Tiermehl stattfindet. In den Bereichen Bewässerung, Biodiversität, Klima und Soziales jedoch werden praktisch keine Anforderungen gestellt. Bioverbände in Deutschland folgen strengeren Richtlinien als die EU: Sie erlauben etwa weniger Tiere pro Hektar, und die maximalen Anteile an konventionellen Futtermitteln ist geringer. Beim Label von IP Suisse sind sogar noch mineralische Dünger sowie gewisse Herbizide erlaubt, und Futtergetreide darf intensiv produziert werden.

Zusammenführung von fünfzig Regelwerken

Der Dschungel der Label und Siegel ist groß und undurchsichtig. Um wirklich zu wissen, was man kauft, wären aktive und lange Recherchen notwendig, die Zeit und Nerven der meisten Konsumenten übersteigen. Um in diesem Bereich Abhilfe zu schaffen, wurde 2021 die Online-Plattform mitwirken.at ins Leben gerufen, um einen Nachhaltigkeits-Index zu entwickeln. Dieser soll messbar und transparent machen, wie nachhaltig Unternehmen sind – oder eben nicht. Das Gute daran ist: Es handelt es sich nicht einfach um einen zusätzlichen Standard oder um eine weitere Instanz, die Bewertungen vornimmt. mitwirken.at führt bereits bestehende Bewertungssysteme zusammen.

«Es gibt bereits viele Regeln, Standards, Nachhaltigkeitspreise und Zertifikate, aber dadurch wird weniger als ein Prozent der Unternehmen erfasst», sagt Leo Hauska, Initiant und Mitgründer von mitwirken.at. Insgesamt fünfzig verschiedene Regelwerke wurden analysiert, um einen gemeinsamen Nenner für das Bewertungssystem von mitwirken.at zu finden – ein System, das flächendeckend wirken soll. «Unser Ziel ist, dass alle Unternehmen bezüglich Nachhaltigkeit bewertet werden – egal ob sie wollen oder nicht.»

Der Großteil der Unternehmen hat kein wirkliches Interesse an Nachhaltigkeit.

Das ist ein immenses Vorhaben, das nicht von einer kleinen Gruppe oder ein paar NGOs gestemmt werden kann. Doch Hauska ist nicht nur als Unternehmensberater bestens vernetzt, sondern auch als Mitglied des Global Compact Networks der Vereinten Nationen, dem weltweit größten Netzwerk für nachhaltige Entwicklung und Unternehmensverantwortung. Dem Projekt mitwirken.at ging eine jahrelange Forschungsarbeit voraus, die sich um eine zentrale Frage drehte: Wie kann die Nachhaltigkeit von Unternehmen gemessen, transparent gemacht und bewertet werden?

Dieser Anspruch basiert unter anderem auch auf den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, die Unternehmen dazu auffordern, nachhaltige Praktiken einzuführen und Nachhaltigkeitsinformationen in ihren Berichterstattungen zu integrieren. Die Nachhaltigkeitsziele sind zwar nicht gesetzlich verbindlich, doch im Rahmen von nationalen Regelungen und politischen Programmen wird zunehmend auf deren Forderungen Bezug genommen.

«Das Problem ist, dass es für Unternehmen gar nicht so einfach ist, diese Ziele zu erfüllen. Denn die direkten Auswirkungen von Unternehmen auf Gesellschaft und Umwelt sind sehr schwer zu messen», sagt Hauska. «In diesem Sinn möchten wir nicht nur Transparenz für die Konsumenten schaffen, sondern auch den Unternehmen helfen. Auch wenn der Großteil der Konzerne kein wirkliches Interesse an Nachhaltigkeit hat, gibt es doch einige, die sich in diesem Bereich verbessern wollen, aber nicht wissen wie. Denn das Ganze ist mit sehr komplexen Prozessen und einer großen Transformation innerhalb der Unternehmen verbunden.»

Zurzeit tragen Unternehmen, die Ethik und Nachhaltigkeit links liegen lassen, kaum Konsequenzen. «Teilweise werden Nachhaltigkeitsberichte von Wirtschaftsprüfern abgesegnet, obwohl sie furchtbar sind», sagt Hauska. «Für Konsumenten ist es dann sehr schwierig einzuschätzen, wie nachhaltig Produkte oder Firmen tatsächlich sind.» Greift der Nachhaltigkeits-Index von mitwirken.at einmal, könnten Unternehmen zunehmend unter Druck geraten, sich wirklich zu verbessern. Denn eine einfache Kennzahl, die das Nachhaltigkeits-Niveau einer Firma zusammenfasst, ist auf einen Blick und ohne weitere Recherchen verständlich und dürfte dazu führen, dass Frau Bewusst und Herr Nachhaltig Produkte oder Dienstleistungen von schlecht bewerteten Unternehmen nicht mehr berücksichtigen.

Das Bewertungsmodell steht – jetzt geht es um die Umsetzung.

Zentral ist bei mitwirken.at – wie es schon der Name sagt –, dass die Bewertung von Unternehmen nicht von einer übergeordneten Instanz in irgendeinem Büro vorgenommen wird, sondern breit abgestützt sein soll. Bei der Erarbeitung der Bewertungskriterien und -prozesse war deshalb nicht nur das Mitwirken von Politik, Wissenschaft und Behörden gefragt, sondern auch die Zivilgesellschaft. SDG Watch Austria, ein Zusammenschluss von mehr als 220 zivilgesellschaftlichen und gemeinnützigen Organisationen, hat an der Erarbeitung des Bewertungsmodells mitgearbeitet, genauso wie fast alle Nachhaltigkeits-Communities des Landes. Auch für die Weiterentwicklung des Projekts kann sich auf der Website mitwirken.at jeder und jede engagieren. Ob man nur per Newsletter informiert bleiben will, an Umfragen teilnehmen oder Feedback geben oder bei Workshops teilnehmen will, bleibt jedem selbst überlassen.

«Zwei Jahre lang haben wir an einem konkreten Lösungsvorschlag gearbeitet», sagt Hauska, «jetzt geht es um die Umsetzung.» Bereits dieses Jahr sollen 500 Unternehmen in Österreich anhand des erarbeiteten Modells bewertet werden, nächstes Jahr sollen es schon 5000 sein. Bis Ende 2025 will mitwirken.at alle österreichischen Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitenden bewertet haben, danach sind Firmen in der Schweiz und in Deutschland an der Reihe. ♦

www.mitwirken.at

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