Baden macht an den Stränden Andalusiens nicht immer Spaß. Es gibt Tage, an denen zu viel Dreck und Plastik im Mittelmeer schwimmt, auch zum Ärger der Urlaubsgäste. Die Universität der südspanischen Stadt Málaga hat das Wasser untersucht.
Es ist heiß. So sehr, dass man regungslos dasitzt und sich aufs Denken beschränkt. August: Hochsommer in Südspanien. Hier sind nach wie vor Schulferien, und Touristen aus aller Welt landen auch Ende August noch täglich am internationalen Flughafen der Küstenstadt Málaga. Um die dreißig Grad ist es an der Küste tagsüber immer. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit fühlt es sich zurzeit aber um einiges heißer an.
Raschen Schrittes – so gut es geht bei der Hitze – marschiert man also zum Strand, legt das Badetuch aus, die Kleider ab, läuft aufs Wasser zu, dürstend nach Abkühlung und … bremst ab: Dreck schwimmt im Meer. Es sieht unappetitlich und eklig aus. Man mag nicht ins Wasser. Frust in der Hitze.
Plastikteile, Folien, seifenartige Bläschen, Fäden, Papier, Ohrenstöpsel und andere nicht identifizierbar Abfallstücke: Dies alles schwebt im Wasser, manchmal über mehrere Meter der südspanischen Küste entlang. Auch gibt es Tage, an denen eine braune Sülze auf der Meeresoberfläche liegt oder sich dem Plastikabfall beimischt. Das ist ein äußerst wüst aussehender Film, der breitflächig dahindümpelt. In Málaga nennt man diesen oft schäumenden Film «nata», anlehnend an die Schlagsahne.
Fäkalien im Wasser?
Nun, der oder die Unwissende blickt überfordert aufs unsaubere Meer. Was ist das alles? Vor allem diese braune Sülze? Und woher kommt der Abfall? Etwa von den vorbeifahrenden Schiffen im Mittelmeer?
Hypothesen, wieso das Meer zeitweise dreckig ist, gibt es in und um Málaga einige: Es sei wegen der geografischen Begebenheiten der Buchten, des Vorhandenseins von Algen, des aufgewühlten Sandes, der fehlenden sanitären Einrichtungen. Selbst viele Malagueños sind überzeugt davon, dass die verdächtige braune Sülze menschlicher Kot ist. Einige sagen, mit dem Ansturm der Touristen in den Sommermonaten würden die Kläranlagen überfordert sein. Will heißen: dass viele Fäkalien unbearbeitet ins Meer gelangten.
«Das kann ich kategorisch verneinen», sagt Francisco Ignacio Franco Duro. «Wenn wir die ‹nata› analysieren, finden wir nie Mikroorganismen, die mit Fäkalien in Verbindung gebracht werden können.» Der Spanier ist Professor für Küstenforschung an der Universität von Málaga. Mit seinen wissenschaftlichen Kollegen und Kolleginnen untersucht Franco Duro seit 2017 die «nata» an den Badestränden. In all diesen Jahren, so Franco Duro, hätten sie mehr als 300 Proben analysiert und festgestellt, «dass diese braunen Teppiche durch natürliche Prozesse entstehen, und zwar dann, wenn die Meereswellen den Mineralstaub aus dem Sand wegspülten. Das Produkt: trübendes Wasser und schwimmender Mineralschaum, der bräunlich gefärbt ist – aber alles zu 100 Prozent unschädlich.
«Ausgezeichnete» Wasserqualität
Man kann also bedenkenlos baden gehen. Aber das müsste man als Tourist erst wissen. Schon manche Urlauberinnen und Urlauber haben gesagt, an diese Strände würden sie nicht mehr zurückkehren. Der 52-Jährige Wissenschaftler betont, die Qualität des Wassers an der Küste Málagas ist gemäß den europäischen Rechtsvorschriften «ausgezeichnet».
Der Plastik und anderer Abfall im Wasser ist ein anderes Thema, und schädlich. Franco Duro dazu: «Dieser Müll entsteht unter anderem durch das mangelnde Umweltbewusstsein einiger Strandbenutzer. «Sie lassen Abfälle wie Plastikflaschen, Bierdosen und Zigarettenstummel zurück, die dann vom Meer weggespült werden.»
«Und Damenbinden und Feuchttücher» fügt Sebastián Martín Sánchez an, «Die sind ganz schlimm, sie treiben nicht an der Wasseroberfläche, sondern sinken auf den Meeresgrund.» Der ehemalige Student von der Fakultät von Franco Duro ist hauptberuflich Fischer, wie vorher sein Vater, Großvater und Urgroßvater. Der 58-Jährige hat über all die Jahre an der ganzen Küste Málagas entlang gefischt, kennt sie wie seine Hosentasche und erinnert sich: «Als Kind kannte ich Plastikmüll im Meer und an den Stränden nicht.» Weil es keine solche Verpackungen gegeben habe. «Heute ziehe ich mit dem Fischfang immer viel Plastik und anderen Müll ins Schiff», sagt Martín Sánchez. Das Gute: Mittlerweile könnten die Fischer diesen Müll in gewissen Häfen in Andalusien abgeben und bekämen sogar ein wenig Geld dafür. Sorge macht ihm der nicht-sichtbare Abfall wie Mikroplastik oder Resten von Sonnencrèmes.
Beeindruckend sind ältere Zeitungsartikel: Ein zehn Meter langer Wal wurde 2012 an der südspanischen Küste angeschwemmt. «Ein Pottwal ertrinkt an Plastik», titelte die spanische Tageszeitung El País. Im Magen des toten Tieres wurden 18 Kilo Plastikmüll gefunden, 59 verschiedene Teile. Darunter Gartenschläuche, Blumentöpfe, Kleiderbügel.
Woher kommt solcher Müll? Der Fischer Martín Sánchez weiß, dass aus den vorbeifahrenden Schiffen mittlerweile weniger Abfall ins Meer geworfen wird, zumindest im Mittelmeerraum, wo streng kontrolliert würde. Er verweist auf die Länder gegenüber von Spanien, etwa auf Marokko und Algerien, «sie kippen viel Müll einfach ins Meer». Das bestätigt auch Professor Franco Duro: «Und die Meeresströmungen bringen den Müll nach Spanien. An den Stränden finden wir nicht selten Wasserflaschen marokkanischer Herkunft.»
Während der Sommermonate sieht man auf dem Meer oft spezielle Boote an der Küste entlang hin- und herfahren. Bis Mitte September werden sie von öffentlichen Stellen Málagas losgeschickt, um das Wasser zu säubern. Vor allem wegen der Touristen. Ein Sofa oder Kühlschränke wurden von diesen Schiffen auch schon aus dem Wasser gefischt. «Diese Reinigungsboote leisten einen wichtigen Beitrag, um den Plastikmüll zu beseitigen», sagt Professor Franco Duro. «Damit die Meeresökosysteme jedoch sauber gehalten werden, müssen die Bevölkerung und die Touristen angehalten werden mitanzupacken.»
Manchmal vergehen bis zu drei Stunden, bis die Verunreinigungen im Meer von den Wellen an den Strand getragen werden, teils versickern oder sonst irgendwie verschwinden. Sei es «nata» oder richtiger Abfall. Solange wartet man also, verärgert. Hie und da kapituliert man, und zwar dann, wenn es wegen der Hitze kaum mehr auszuhalten ist: Man spritzt den Dreck auf der Wasseroberfläche mit der Hand weg, bahnt sich einen Weg durch die Plastikteilchen und kühlt sich trotz allem kurz ab. Diesen Juli und August kletterte der Thermometer mehrmals über 40 Grad. Im Landesinnern von Andalusien wurden Mitte August sogar 47,2 Grad gemessen – die höchste jemals in Spanien registrierte Temperatur. ♦
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