Mensch. Gesellschaft. Meer.

Frau Müller, she knows #2

Stille Örtchen sind teuer

Na Servus! Warum Wasser lassen in öffentlichen Toiletten ganz schön diskriminierend sein kann, weiß Frau Müller genau.

Foto: Pexels

An einem herrlich heißen Sommertag war ich in Wien mit einem Freund unterwegs, genauer gesagt im Garten des Schönbrunner Schlosses, als sich bei uns beiden die Blase meldete. Ein Toilettenwagen war schnell gefunden, zumindest schneller als die 50-Cent-Münze, die ich zum Öffnen der Kabinentür benötigte. Nach der musste ich nämlich erstmal in den Untiefen meiner Tasche kramen. Ich fand eine – puh! Glück gehabt. Als ich danach beiläufig meinem Begleiter von meiner Suche nach Kleingeld erzählte, staunte er und meinte: «Hab ich gar nicht gebraucht.» Aha, Moment: Wasser lassen ist also im Schlossgarten für Männer umsonst, für Frauen nicht. Fanden wir beide empörend!

Dass solche Sachverhalte allerdings nicht nur in Sissis Grünanlage in Wien vorkommen, sondern auch in Berlin, erfuhr ich schon kurz darauf durch eine Freundin, bei der ich mich über diese Ungerechtigkeit echauffierte und die mich mit den Worten «Ist hier in Berlin doch auch so» darüber aufklärte, wie es mit dem Urinieren in der deutschen Hauptstadt bestellt ist. Entsetzt musste ich zugeben, wie wenig ich das bisher hinterfragt hatte. Halten wir fest: Alle Personen, die aus verschiedensten Gründen eine abschließbare Toilette benutzen möchten, also kein Pissoir, haben das Pech, 50 Cent zahlen zu müssen. Sonst öffnet sich die elektronische Tür der öffentlichen Toiletten nicht.

Seien wir mal ehrlich: Ohne größere Problematik eine Toilette aufsuchen zu können, ist ein Grundbedürfnis und sollte eigentlich im öffentlichen Raum – besonders im urbanen – selbstverständlich sein. Dafür braucht es öffentliche Toiletten (von denen es by the way immer noch viel zu wenige gibt). Wie oft habe ich mir schon unterwegs das Trinken verkniffen oder inständig gehofft, die Menstruationsprodukte halten noch durch, während ich mich im Geiste schon mit Blutspuren an der Hose gesehen habe. Wenn dann diese wenigen öffentlichen Toiletten kostenpflichtig sind, wird die Situation schwierig, denn sie benachteiligt Menschen. Nämlich vorwiegend Menschen mit Vulva und Menschen, die menstruieren und ihre Periodenprodukte an einem sicheren Ort wechseln möchten. Apropos Periode, da gäbe es ja auch einiges zu sagen, aber darauf komme ich ein anderes Mal gerne wieder zurück. Ebenfalls Personen, die mit Kindern unterwegs sind, bringt ein kostenloses Pissoir übrigens herzlich wenig.

Und ja, ich habe sie schon gehört, all die Argumente wie: «Wenn es kostenlos ist, wird die Toilette eher beschmutzt beziehungsweise beschädigt.» Das ändert nichts an der Tatsache, dass hier eine direkte Ungleichbehandlung vorliegt. Zu Ungunsten derer, die kein Urinal benutzen können und zur Kasse gebeten werden. Darunter fallen außerdem ältere Menschen und Kinder. Dies zeigt überdies, wie männlich das Stadtbild geprägt ist. Denn immer noch sind es meist Frauen, die mit Kindern auf den Spielplätzen unterwegs sind und zahlen müssen, wenn das Kind gewickelt werden muss.

Mein Lieblingsargument, warum einige Menschen dafür plädieren, dass Pissoirs ohne Gebühr benutzt werden können, ist immer noch: «Das Pissoir muss kostenlos sein, damit Männer animiert werden, diese zu benutzen anstatt wild irgendwo hinzupinkeln.»  Interessant. Zuerst mal empfinde ich es als Unding, dass erwachsene Männer überhaupt zu sowas angeregt werden müssen. Des Weiteren: Belohnt werden für etwas, das selbstverständlich ist? Auf Kosten von denen, die damit gar nichts zu tun haben? Seltsame Pädagogik ist das, und glauben Sie mir, mit Pädagogik habe ich täglich zu tun.

Das sowas nicht ohne Protest bleibt, ist klar. Und natürlich auch nicht ohne Ideen und Lösungsvorschläge. Einer wäre die Aufstellung von Unisex Pissoirs, die allen zur Verfügung stehen sollen (vor allem in Grünanlagen) oder sogenannte Missoirs (Hockurinale) speziell für Frauen.

Übrigens läuft aktuell in Berlin eine Testphase über mehrere Monate, bei der einige der herkömmlichen kostenpflichtigen Toiletten kostenfrei zur Verfügung stehen. Danach soll entschieden werden, wie es mit der Toilettenfrage weitergeht. Darauf warte ich gespannt und hoffe natürlich auf meine Lieblingslösung: Kostenfreie Toiletten für alle. ♦

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