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Kein Christfest in Uruguay

Um Mitternacht knallen Korken und Feuerwerke

Im kleinen südamerikanischen Land Uruguay ist die Religion weitgehend aus dem öffentlichen Raum verbannt worden. Nicht einmal mehr «Weihnacht» wird offiziell gefeiert. Aber festlich wirds dennoch – und zwar so richtig.

Punta del Diablo in Osturuguay ist im Dezember ein beliebtes Reiseziel. Foto: alejandromedone

Doch doch, wenn man sich in einer kälteren Region Südamerikas aufhält, etwa in den Anden, kann die Weihnacht auch besinnlich werden. Die Nacht bricht früh ein, viele Lichter schmücken die Straßen und in den warmen Stuben wird etwa Truthahn gegessen. Wo diese andächtige Stimmung jedoch kaum aufkommt, ist in Uruguay. Zumal es dort gar keine Weihnacht gibt und das kleine Küstenland mit den vielen Badeorten die Nacht auf den 25. Dezember laut und knallig feiert.

Keine Weihnacht? In der Tat. Zumindest nicht offiziell. Der laizistischste Staat hat nämlich nicht nur Kruzifixe und Heiligenbilder fast gänzlich aus dem öffentlichen Raum verbannt, sondern auch die religiösen Feiertage aus der staatlichen Agenda gestrichen, respektive umbenannt. Denn in Uruguay gilt Religion strikt als Privatsache. So wird in diesem Land das katholische Fest Maria Empfängnis am «Tag des Strandes» begangen, an Ostern feiert man die «Woche des Tourismus», in der sich möglichst alle eine Reise gönnen, und im Januar essen die Uruguayer den Dreikönigskuchen am «Tag der Kinder». Weihnacht jedoch ist der «Tag der Familie».

Weihnachtsmann bei 30 Grad

Zugegeben, das bedeutet nicht, dass Weinachten gar nicht gefeiert wird und man in Uruguay nicht auf typische weihnachtliche Requisiten trifft: Die Straßen und Einkaufszentren sind beleuchtet sowie mit riesigen Tannen und Dekorationen geschmückt. Sogar der weißbärtige Weihnachtsmann trägt einen roten Umhang, obwohl die Temperaturen im Dezember um die 30 Grad betragen. Ansonsten aber «hat das christliche Fest hier wenig mit jener Weihnacht zu tun, wie man sie in Europa kennt», erklärt die Uruguayerin Maria Urruzola, die viele Jahre in Frankreich gelebt hatte. «In Uruguay ist es kaum noch eine religiöse Andacht, sondern ein großes Fest. Wir haben Hochsommer, feiern Weihnachten in Gärten, auf jeden Fall draußen, wir grillieren, traditionellerweise Lamm.» Und um Mitternacht knallen die Korken.

«Man darf nicht vergessen, in Uruguay wurden Kirche und Staat schon vor mehr als 100 Jahren getrennt», sagt die 68-jährige. «Außerdem ist Uruguay das Land in Südamerika mit den meisten Atheisten», so die Journalistin und Schriftstellerin, «sie betragen zehn Prozent.» Und in einer Studie aus dem Jahr 2014 habe sich gezeigt, dass insgesamt rund 38 Prozent der Uruguayer keiner Religion angehören, Atheisten mitgezählt.

Die Schweiz Südamerikas

Damit unterscheidet sich Uruguay im Vergleich zu anderen Ländern auf dem katholischen Kontinent sehr. Die Debatten um Laizismus – strikte Trennung von Religion und Staat – begannen in Uruguay bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts, angeführt von antiklerikalen Liberalen, beeinflusst von den Ideen der Aufklärung. In jenen Jahren verstaatlichte Uruguay die kirchlich geleiteten Friedhöfe, führte die standesamtliche Trauung ein, und sogar die Ehescheidung. 1917 wurden dann Kirche und Staat in der Verfassung definitiv voneinander getrennt – und 1919 der «Tag der Familie», der auf den 25. Dezember gefeiert wird, eingeführt.

In den vergangenen Jahren hat sich der kleine Staat, der wegen seines demokratischen Werdegangs auch gerne die Schweiz Südamerikas genannt wird, gegenüber religiösen Manifestationen leicht geöffnet. In der uruguayischen Hauptstadt Montevideo findet sich mittlerweile ein 30 Meter hohes Kreuz, ein Konfuzius-Denkmal und ein Monument des afrobrasilianischen Umbanda-Kults. Nach längeren Debatten dürfen sie nun da stehen.

In Uruguay erinnert Weihnachten an ein Neujahrsfest. «Um Mitternacht ist es eine farbige Explosion im Himmel über Montevideo», sagt María Urruzola. Nach der Geburt von Jesus Christus würden mindestens 15 Minuten lang Feuerwerke hochgeschossen. «Danach gehen die Familien, vor allem die jungen Menschen, aus den Häusern.» Es werde getrunken, gejohlt, getanzt. «Die Straßen von Montevideo sind um zwei Uhr morgens voll – von Autos und Menschen.» Na dann, frohe Weihnacht! Auch allen Lesern und Leserinnen von Tentakel.

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