Mensch. Gesellschaft. Meer.

Toby Obi #3

Kälte ist ein heißes Thema

Die Kälte ist wieder hier! Deshalb widme ich ihr eine zweite Kolumne. Denn ich spüre die Kälte nicht nur am Nasenspitz, sondern auch an der Fußsohle ­− zumindest ein bisschen.

Tobias Santschi barfuß in Bern unterwegs. / Foto: David Fürst

Wenn man die Zeit zurückdreht, back to the roots, da lebte der Mensch barfüßig. Und die verbreitesten Haustiere – Hunde und Katzen – sind heute immer noch barfuß unterwegs, auch bei minus 20 Grad, weil sie nichts anderes gewohnt sind.

Ich vermute, der Mensch könnte sich ebenfalls wieder daran gewöhnen, mehrheitlich barfuß zu gehen. Bestimmt, wenn jemand einen hohen Berg besteigt, stundenlang sich in Schnee und Eis fortbewegt, dann braucht er Schuhe. Aber ständig zu Hause in Finken und Socken herumzulaufen, ist nicht nötig. Ich habe jetzt den ersten Winter ohne Socken durchlebt und trage draußen nur noch Barfußschuhe. Das ist sehr ungewohnt, macht aber Spaß.

Barfußschuhe sind spezielle Schuhe, die so angepasst sind, damit das Darin-Gehen möglichst dem Barfußgehen entspricht. Die Sohle ist dünn, und der natürlichen Form des Fußes – hinten eng, vorne genügend breit – wird Rechnung getragen. Natürlich existieren auch Barfußschuhe speziell für den Winter, die sind gefüttert und besitzen im Vergleich eine dickere Sohle. Im Übrigen: Wenn man bei minus 10 Grad mit Barfußschuhen nach draußen geht, scheint es, als habe man wärmere Füße als zu Hause barfuß im Wohnzimmer.

Der Fuß hat die meisten Rezeptoren des menschlichen Körpers. Wir sind uns gar nicht mehr bewusst, was alles wahrgenommen werden kann, wenn wir unseren Fuß nicht künstlich mit Schuhen vergewaltigen. Für unseren Fuß ist nicht vorgesehen, den größten Teil seines Lebens in einem Himmelbett zu verbringen, sprich: in einer samtweichen Sohle.

Nass und trocken oder kalt und warm sind bei weitem nicht die einzigen Empfindungen, die wir wahrnehmen können. Ich vermute, wir wären fähig, mit dem Fuß Früchte zu erfühlen, anhand ihrer Oberfläche. Ob wir im Gras marschieren oder auf rauen, spitzigen, glatten oder matschigen Oberflächen uns fortbewegen: spüren wir sofort! Jeglicher Kontakt mit irgendetwas ruft eine kognitive Empfindung hervor. Diese ist sehr wertvoll und löst etwas aus in unserem Körper. Es fördert die Durchblutung, und vor allem verlässt man gezielt die Komfortzone.

Für mich ist das Barfußgehen im Schnee einer der effizientesten Immun-Booster. Man empfindet Kälte, man ist in Bewegung, man verbrennt viel Fett, man ist in der Natur man überwindet sich und schafft etwas anfänglich unmöglich Erscheinendes!

Nicht jeder Mensch ist gleich, aber bei ausnahmslos jedem Menschen sind die Grenzen, die ihn limitieren, beweglich und ausbaubar. Wichtig ist, dass man es sukzessive tut. Dann hat man sehr viele Erfolgserlebnisse. Aber Vorsicht: Es besteht die Möglichkeit, dass ihr plötzlich die Kälte zu mögen beginnt. ♦

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