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Europäischer Gerichtshofs

KlimaSeniorinnen gewinnen Klage gegen die Schweiz

Mehr als ein Jahr mussten die KlimaSeniorinnen auf das Urteil warten, jetzt ist es da: Die große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat heute entschieden, dass die Klimapolitik der Schweiz die Menschenrechte der älteren Frauen verletzt. Ein historischer Präzedenzfall.

Die KlimaSeniorinnen Oda Müller (links) und Rosmarie Wydler-Wälti im Botanischen Garten in Zürich. Foto: Nicole Maron

Konkret stellte das Gericht eine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention fest, die das Recht auf Privat- und Familienleben definiert. Denn laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellen die immer häufigeren und intensiveren Hitzewellen eine reale und ernsthafte Gefahr für die Gesundheit von älteren Frauen dar. Die Schweiz hätte die Pflicht, die Seniorinnen vor diesen und anderen Folgen der Klimaerwärmung zu schützen – was das Land mit ihrer ungenügenden Klimapolitik nicht getan habe. Dies teilen die KlimaSeniorinnen in einer aktuellen Medienmitteilung mit. Die Rentnerinnen hatten sich im August 2016 zu einem Verein zusammengeschlossen, der heute mehr als 2500 Mitglieder zählt (siehe Interview auf Tentakel).

Es ist das erste Mal, dass ein länderübergreifendes und auf Menschenrechte spezialisiertes Gericht einen menschenrechtlich begründeten Anspruch auf Klimaschutz gutheißt. In Folge des Urteils muss die Schweiz ihre aktuellen Klimazielsetzungen nachbessern, um die Menschenrechte genügend zu schützen.

Doch der EGMR geht noch weiter: Laut seinem Urteil hat die Schweiz das Recht der KlimaSeniorinnen auf Zugang zu einem Gericht verletzt. Die Schweizer Behörden und Gerichte hätten eine inhaltliche Prüfung der geltend gemachten Menschenrechtsverletzungen vornehmen müssen, denn auch im Kontext der Klimakrise bestehe eine Pflicht, begangene Menschenrechtsverletzungen zu überprüfen. Doch die Klage war weder vom Bundesverwaltungsgericht noch vom Bundesgericht angenommen worden.

Das Urteil wird weltweit von großer Bedeutung sein.

«Unser Sieg ist ein Sieg für alle Generationen», freut sich Rosmarie Wydler-Wälti, Co-Präsidentin der KlimaSeniorinnen, und Co-Präsidentin Anne Mahrer bestätigt: «Dieses Urteil ist ein Meilenstein im Kampf für ein lebenswertes Klima für alle.» Auch Cordelia Bähr, die Rechtsanwältin, die die Klimaklage mit den Seniorinnen durchgezogen hat, betont, dass die Bedeutung dieses Entscheids nicht zu unterschätzen ist. «Das Urteil wird weltweit von großer Bedeutung sein, sowohl für weitere Klimaklagen gegen Staaten als auch für Klagen gegen Unternehmen.»

Tatsächlich hat der Fall internationale Auswirkungen. Denn in allen 46 Mitgliedstaaten des Europarates kann die Zivilgesellschaft nun ihre Regierung dazu auffordern, ihre Klimapolitik zur Wahrung der Menschenrechte anhand der vom EGMR erarbeiteten Grundsätze zu überprüfen und nötigenfalls zu verstärken. ♦

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