Mensch. Gesellschaft. Meer.

Toby Obi #1

Sprache – Werkzeug der Gedanken

Ein Urgestein der menschlichen kognitiven Kommunikation, das ist die Sprache. Sie wird gesehen, gehört, gefühlt! Das Tasten und Riechen kann indirekt beschrieben werden.

Bild: cal

Meine Affinität zur Sprache hat sich in den letzten 18 Jahren stark entwickelt. Als jetziger Wortliebhaber muss ich natürlich allen Fremdwörtern auf den Grund gehen. So habe ich herausgefunden, dass das ursprünglich englische Wort «column» Stütze, Säule oder Pfeiler bedeutet. Eine Kolumne unterstützt also im Journalismus. Ich bin zwar kein Journalist, aber seit neuestem Kolumnist.

Rückblende: Nach meinem Unfall im Jahr 2005 konnte ich wegen meiner Hirnverletzung nicht mehr sprechen! Durch meine Lähmungen war es mir auch nicht mehr möglich zu schreiben, ebenso die Gestikulation mit der Hand war von der Lähmung betroffen … Meine Kommunikation war also SEHR eingeschränkt!

Als ich mir dann schließlich ein iPhone zulegte, war ich plötzlich zu vielem fähig, was anfänglich undenkbar war. Ich konnte E-Mails und SMS verfassen, war oft auf Facebook tätig, kommentierte Beiträge usw.

Jede Art von eloquenter Ausdrucksweise faszinierte mich. Da ich mir die Zeit nehmen konnte, allen Fremdwörtern nachzugehen, Textpassagen so oft zu lesen, bis ich ihre Aussage verstand, entwickelte sich bei mir eine Art neuartiges Gefühl für die Sprache. Ich empfand plötzlich Freude, wenn ich einen Text verfassen konnte. Nach und nach entdeckte ich die enorme Wichtigkeit der Sprache.

Lesen und Schreiben sind für mich heute wie zwei zusätzliche Sinne. Das ganze Potential der Sprache vervielfältigt sich, wenn man die richtigen Worte findet. Sicher, um ein Gefühl komplett auszudrücken, ist die direkte Gegenüberstellung, von Mensch zu Mensch, notwendig. Die ganze Mimik und der Klang der Stimme sind kognitiv nicht zu übertreffen.

Aber je besser man bestimmte Situationen mit Worten beschreiben kann, desto ernster wird man genommen. Gerade ich bekam und bekomme das immer noch zu spüren. Was ich sage, geht zum Teil unter, weil ich seit dem Unfall nicht «normal» artikulieren kann.

Viele Vorurteile machen sich breit. Ich will mich davon gar nicht ausnehmen, ich vermute das gehört zur menschlichen Natur, das Urteilen. Aber meine Toleranz ist nun weit ausgeklügelter als vorher. Ich kläre weit mehr ab, vor einer allfälligen Verurteilung. Weil sonst ist man «beschränkt».

Mein Interesse an der Sprache zeigte sich auch bei der Aussprache. Mittlerweile ist es über ein Jahr her, seit ich den Entschluss fasste, mir die Kuh-schweizerische Aussprache abzugewöhnen. Hierzu engagierte ich erst eine Philologin, die mich bei diesem Unterfangen unterstützen und begleiten sollte. Ihr stand aber noch eine Operation bevor, weshalb sie aus gesundheitlichen Gründen die vereinbarten Termine nicht wahrnehmen konnte.

Ich ließ mich aber nicht von meinem Vorhaben abbringen und lernte autodidaktisch in Eigenregie. Ich spreche jetzt viel besser, bin aber noch immer nicht am Ziel. Wie in jeder Sache wächst man sukzessive, aber stetig.

Zum Schluss meiner ersten Kolumne: Ich lerne jetzt seit ein paar wenigen Monaten Griechisch. Vertraut mit der Sprache Griechisch sind wir eigentlich alle innerhalb unserer normalen, alltäglichen Kommunikation. Ein Beispiel: Der Buchstabe y wird oftmals als «igrec» bezeichnet, was auf Französisch nichts anderes bedeutet als «i-greque»: griechisches  i. Und ich habe ja während der Rehabilitierungszeit auch Logopädie genossen, «lógos» heißt auf Deutsch «Wort». ♦


Tentakel hat Tobias Santschi in Bern besucht. Sein Porträt lesen Sie hier.

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