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andersRum #6

Die Pinkies: Barbie, Messi & Jesus

Einhorn-Regenbogen und rosa Glitter: typisch Mädchen. Oder doch nicht?

Mitte Juli gingen Bilder um die Welt, die zumindest für Fußballfans aufregende Neuigkeiten verbreiteten: Der Starspieler Lionel Messi wechselte von Paris Saint-Germain zu Inter Miami – einem noch sehr jungen, aber schon sehr berühmten Club. Nicht nur wegen des Transfers von Messi, sondern vor allem auch weil David Beckham, einer der bekanntesten englischen Fußballspieler, einer der Mitgründer ist.

Doch noch etwas ist spektakulär an Inter Miami: die Farbe seines Trikots, in dem auch Messi sich vor zwei Monaten präsentierte. PINK! Das dürfte dafür sorgen, dass Jungs auf der ganzen Welt die Berührungsangst mit einer Farbe verlieren, die sonst als «typisch Mädchen» gilt.

Und Messi ist nicht der erste, der sich in einem Rosaton ablichten lässt. Im Gegenteil – in letzter Zeit liegt die Farbe im Trend, auch bei harten Kerlen. Der Frontmann der italienischen Rock-Band Måneskin trat in einem rosa Tüllumhang auf, der britische Sänger Harry Styles kürzlich in einem pinkfarbenen Cowboyanzug. Und James-Bond-Schauspieler Daniel Craig erschien mit einem knallpinken Jackett auf dem roten Teppich. Die Liste ließe sich beliebig erweitern.

Doch was als neuer Trend gilt, ist eigentlich ein alter Hut: Bis ins späte 19. Jahrhundert waren Pink und Rosa die Jungen- und Männerfarben schlechthin. «Das kleine Rot» als starke Signalfarbe repräsentierte Männlichkeit, während blassere Töne wie hellblau typisch für Mädchen und Frauen waren. Auf alten Gemälden trägt sogar Jesus rosa. Blau dagegen war die Symbolfarbe der Jungfrau Maria.

«Blau ist anmutiger und sieht bei Mädchen hübscher aus.»

1918 hieß es im amerikanischen «Ladies‘ Home Journal» noch: «Die allgemein akzeptierte Regel ist Rosa für Jungen und Blau für Mädchen. Der Grund dafür ist, dass Rosa als eine entschlossenere und kräftigere Farbe besser zu Jungen passt, während Blau, weil es delikater und anmutiger ist, bei Mädchen hübscher aussieht.» Ende der 20er Jahre gestaltete die belgische Prinzessin Astrid die Wiege für den Sohn, der sie erwartete, «in der Jungenfarbe Rosa». Passend zu den Empfehlungen des «Time Magazine», die eine Tabelle mit geschlechterspezifischen Farbempfehlungen abdruckte, nach denen sich alle großen Kaufhäuser richteten.

Warum sich die Farbsymbolik plötzlich um 180 Grad drehte, dazu gibt es verschiedene Theorien. Barbie dürfte einen nicht ganz unwichtigen Beitrag dazu geleistet haben: Als die erste Ausgabe der Puppe 1959 in einer pinken Verpackung in die Läden kam, wurde Rosa auch zur Lieblingsfarbe vieler Mädchen. Der Barbie-Wahn hielt sich jahrzehntelang – und explodierte vor Kurzem ins Unermessliche. Im Vorfeld der Premiere des «Barbie»-Films der amerikanischen Regisseurin Greta Gerwig überboten sich die die großen Brands der Welt mit speziellen Pink-Editions: Starbucks brachte einen rosa Frappuccino heraus, der Kartenhersteller von UNO eine pinke Variante, und bei Google regnete es rosa Glitter, wenn man den Namen Greta Gerwig eingab.

Man musste davon ausgehen, dass «Barbie» ein langweiliger Bling-Bling-Film für Primarschülerinnen war, der Gender-Klischees zementiert und die Frau zum hübschen Püppchen degradiert. Doch weit gefehlt! Es sei nicht zu viel verraten, doch Barbie-World ist das komplette Gegenteil einer Macho-Welt. Die Männer können eigentlich nichts und haben entsprechend auch nicht viel zu sagen. Sie sind gewissermaßen nur Dekoration und Fan der Barbies, die alle wichtigen Positionen in Wissenschaft, Politik und Kultur besetzen. Eine überspitze Umkehrung der tatsächlichen Verhältnisse, wobei, so überspitzt auch wieder nicht … In diesem Sinn: Barbies an die Macht und Pink für alle! ♦

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