Mensch. Gesellschaft. Meer.

Femme géniale #9

Eine Frau, ein Plan

Nicht nur Humor, auch Talent und viel Willenskraft brachte die US-Amerikanerin mit, die in einfachen Verhältnissen aufwuchs. Erst tanzte sich die schwarze Frau in die Herzen der Europäer, dann kämpfte Josephine Baker im Untergrund gegen die Nazis. Dafür ehrte sie vor drei Jahren Frankreich in einer Zeremonie.

Foto: Lucien Walery

Sie tanzt wild auf der Bühne herum, baut eigentümliche, oft groteske Posen ein, zieht Grimassen und hat eine Frisur, die keine Frau in jener Zeit trägt: den Kurzhaarschnitt. Die Tänzerin und Sängerin Josephine Baker ist ein Wirbelwind, eine Explosion, wenn sie die Bühne betritt – und damit begeistert sie ab den 1920er Jahren in Europa das Publikum und füllt Theater- und Konzertsäle. Sie selbst beschreibt es so: «Ich höre der Musik zu und tue, was sie mir sagt.»

In Erinnerung geblieben ist sie bis heute vor allem mit dem «Bananentanz», bei dem sie ein Röckchen aus sechszehn Bananen trug. Eher in Vergessenheit geraten ist ihr Kampf gegen Rassismus und die Nazis sowie ihr soziales Engagement: Sie adoptierte zahlreiche Waisenkinder.

Bevor die Amerikanierin als erste schwarze Frau in Europa zum Superstar wurde, erlebte sie allerdings schwierige Jahre – erst in ihrer Kindheit, dann als Künstlerin in den USA, die rassistisch geprägt waren. Als uneheliche Tochter einer schwarzen Wäscherin und eines weißen spanischen Schlagzeugspielers kam Freda Josephine McDonald 1906 in den Slums von St. Louis in Missouri zur Welt. Der Vater machte sich aus dem Staub, früh musste das Mädchen arbeiten und 1917 erlebte sie als Elfjährige die Progrome mit, bei der rund hundert schwarze Menschen gelyncht wurden. «Das ist meine Kindheit. Ich hatte keine Strümpfe, ich fror und ich tanzte, um warm zu werden», so Baker in ihrer 1927 veröffentlichten, von Marcel Sauvage aufgezeichneten Autobiografie.

Ich konnte Amerika einfach nicht ausstehen.

Nachdem sie als Hausmädchen bei reichen weißen Familien gearbeitet hatte, verheiratete ihre Mutter sie im Alter von 13 Jahren. Auch wenn die Ehe nur sehr kurz andauerte, behielt sie den Nachnamen Baker. Dann kam der Wendepunkt: Als Ankleidemädchen fing sie bei einer Künstlergruppe, die durchs Land zog, an zu arbeiten. Als eine Tänzerin krank wurde, sprang Josephine Baker ein: Die Künstlerin war geboren. Sie trat fortan mit der Truppe auf. Es folgten Auftritte in Musicals und in den frühen 1920er Jahren am New Yorker Broadway.

Und dann rief Europa. Zu ihrem Wegzug aus den USA wird sie später sagen: «Ich konnte Amerika einfach nicht ausstehen.» Es sei die Diskriminierung gewesen, die sie in den Vereinigten Staaten erlitten hatte, die sie dazu bewogen habe, ins Ausland zu gehen.

Als erstes ging sie nach Frankreich. In Paris trat sie 1925 im berühmten «Théatre des Champs Elysées» in einer Tanzrevue auf, bekleidet mit ein paar Federn und einer Perlenkette. Die Zuschauer sprangen vor Begeisterung von den Stühlen. Von da an eroberte Baker die Bühnen, reiste mit ihrer Show «Revue Nègre» quer durch Europa, tanzte unter anderem in Wien, Budapest, München, Stockholm und im mondänen Berlin, wo man sie liebte.

Die Nationalsozialisten setzten ihrem Erfolg in Deutschland ein Ende: Sie wollten keine schwarze Künstlerin auf der Bühne und verboten Josephine Baker. Die Tänzerin kehrte nach Paris zurück. Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach und Frankreich von den Nazis besetzt wurde, schloss sich die Amerikanerin der Widerstandsbewegung «Résistance» an. Sie ließ sich sogar von der französischen Geheimpolizei zur Agentin ausbilden, schmuggelte wichtige Dokumente über die Grenzen.

Sie adoptierte zwölf Kinder

Nach dem Krieg baute Baker mit ihrem dritten Mann das Schloss «Les Milandes» in der Dordogne im Südwesten Frankreichs. Sie adoptierte zwölf Kinder verschiedener Hautfarben und von komplett unterschiedlicher Herkunft und Religion. Sie nannte ihre Familie die «Regenbogenfamilie». «Die kleine Welt meiner Familie soll ein Beispiel dafür geben, was auch in der großen Welt verwirklicht werden muss: ein Zusammenleben aller Rassen in gegenseitiger Achtung», so Baker.

In jenen Jahren reiste sie auch wieder in die USA, setzte sich gegen Rassismus ein, trat dem Klu Klux Klan entgegen und unterstützte Martin Luther King. Die Reisen, das luxuriöse Leben und der Unterhalt der vielen Kinder und des Schlosses kosteten ihr schließlich das ganze Vermögen. Baker wurde aufgefordert, das Anwesen zu verlassen. Da sie sich weigerte, zerrte man sie 1969 mit Gewalt heraus. Noch im gleichen Jahr wurde das Schloss zwangsversteigert. Baker und ihre Kinder kamen beim Roten Kreuz in Monaco unter. Es war eine schwierige Zeit, aber sie sei nicht daran zerbrochen, wird eines ihrer Adoptivkinder später berichten.

Josephine Baker kehrte in den 1970er Jahren auf die Bühne zurück. Ihr letztes Konzert gab sie 1975 in Paris. Diese legendäre Show bescherte ihr noch mal einen großen Presserummel. Ein paar Tage später hörte ihr Herz auf zu schlagen. Sie starb im Alter von 68 Jahren. Beigesetzt wurde sie in Monaco, gekleidet in eine französische Militäruniform mit den Medaillen, die sie für ihre Rolle als Mitglied der französischen Résistance während des Krieges erhalten hatte.

Im Sommer 2021 kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron an, dass die sterblichen Überreste von Josephine Baker in den Panthéon von Paris verlegt würden. Eine große Ehre. Wer im Panthéon liegt, ist zwar tot, aber unsterblich. Unter den achtzig dort Beigesetzten befinden sich mit der Künstlerin lediglich sechs Frauen. Josephine Baker ist außerdem die erste schwarze Frau, die Ende November vor drei Jahren im Panthéon beigesetzt wurde. Sie selbst verwahrte sich dagegen, in Schubladen einsortiert zu werden: «Nicht Tänzerin, nicht Schauspielerin, nicht einmal schwarz: Josephine Baker, das bin ich!», hatte sie mal geschrieben. ♦

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