Türkische Sicherheitskräfte haben in den Erdbebengebieten Menschen gefoltert und misshandelt – meist wegen Verdacht auf Diebstahl und Plünderung. Dies verstößt nicht nur gegen das Völkerrecht, sondern auch gegen die türkische Gesetzgebung.
Polizeibeamte, die im Erdbebengebiet zivile Opfer schlagen, misshandeln und foltern – so lautet der Vorwurf der beiden Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch. In einem aktuellen Bericht legen sie Beweise für diese Vorkommnisse vor, die von der türkischen Regierung jedoch als nichtig erklärt werden.
Nach den Erdbeben wurde zwar von Diebstählen und Plünderungen berichtet, was eine Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden darstellte, die die Sicherheit gewährleisten sollten. Dennoch verbieten das Völkerrecht und die türkische Gesetzgebung unter allen Umständen Folter oder andere Misshandlungen von Verdächtigen. Die türkische Regierung erklärt seit langem, eine «Nulltoleranz-Politik» gegenüber Folter zu verfolgen. Amnesty International und Human Rights Watch berichten jedoch, dass eine Person in Polizeigewahrsam starb, nachdem sie gefoltert wurde. In anderen Fällen schritten Sicherheitskräfte nicht ein, als Personen gewaltsam angegriffen wurden. In vier Fällen handelte es sich bei den Betroffenen um syrische Flüchtlinge, und die Angriffe deuteten auf zusätzliche rassistische Motive hin.
«Die erschütternden Berichte und Bilder von mutwilliger Gewalt durch Polizeikräfte, die inmitten der schlimmsten Naturkatastrophe des Landes ihre Macht missbrauchen, lassen sich nicht einfach beiseite wischen», sagte Nils Muižnieks, Europa-Direktor von Amnesty International. «Alle Betroffenen, darunter auch Geflüchtete, haben ein Recht auf Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden. Die Behörden müssen unverzüglich strafrechtliche Ermittlungen zu allen Fällen von Folter und anderen Misshandlungen durch Polizei, Gendarmerie und andere Ordnungskräfte einleiten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.»
«Vage Behauptungen»
Alle Vorfälle ereigneten sich in den zehn Provinzen, in denen am 9. Februar der Ausnahmezustand verhängt worden war. Dieser gewährt der Regierung Befugnisse wie den Erlass von Dekreten, in denen die Verwendung privater und öffentlicher Ressourcen für die Rettungs- und Hilfsmaßnahmen angeordnet werden kann. Zudem ermöglicht der Ausnahmezustand den Einsatz des Militärs bei Hilfsmaßnahmen und die Regelung der Geschäftsöffnungszeiten in der betroffenen Region. Außerdem kann der Zugang zu der betroffenen Region beschränkt werden.
Am 17. März informierten Amnesty International und Human Rights Watch die türkische Regierung in einem Schreiben über die Ergebnisse ihrer Recherchen und forderten Informationen zu den Ermittlungen. Am 29. März antworteten die zuständigen Ministerien, dass die türkische Regierung Folter nicht dulde, und erklärten, bei den Rechercheergebnissen handele es sich um «vage Behauptungen, die jeglicher sachlichen Grundlage entbehren». ♦
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