Mensch. Gesellschaft. Meer.

Australien

Muse für das Riff

Die Korallenexpertin Katharina Fabricius aus München lebt seit über dreißig Jahren in Australien. Dort befindet sich auch der Great Barrier Reef, die größte zusammenhängende Ansammlung von Korallenriffen.

Meeresbiologin Katharina Fabricius sammelt Korallenstücke.

Sie tauchte schon mit Walhaien, Zwergwalen und Mantas. Doch vor ein paar Monaten erlebte sie ihren ganz persönlichen «Kneif-mich-Moment»: Katharina Fabricius zählt zu den Musen der acht Skulpturen, die seit letzten Juni im Museum of Underwater Art (MOUA) in Australien die Installation Ocean Sentinels bilden (wir berichteten darüber in «Große Kunst für Schnorchler»). Damit ist die Deutsche sozusagen zu einem lebenden, sich weiter entwickelnden Mikroriff verewigt worden. Denn über die Jahre wird die Skulptur im größten Korallenriff des Planeten − im Great Barrier Reef − mit Korallen und Schwämmen überwachsen. Taucher, Schnorchler und Meereslebewesen können sie bestaunen.

Katharina Fabricius ist begeistert, dass sie am MOUA-Projekt beteiligt ist, das sich rund 75 Kilometer vor der Küstenstadt Townsville im Meer befindet, «weil damit Townsville als Zentrum für Meereswissenschaften – und insbesondere für Korallenforschung – über die Grenzen hinaus bekannt gemacht wird». Die Meeresbiologin erläutert: «Der überwiegende Teil der frühen Forschungsarbeiten an Korallenriffen hat sich in Townsville zugetragen, und wir sind immer noch weltweit führend.»

Von München nach Australien

Seit sie 1988 – während ihres Diplomstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität München – im Rahmen eines freiwilligen Studentenprogramms am Australian Institute for Marine Science (AIMS) nach Townsville kam, hat Fabricius mehr als 3000 Stunden mit Tauchen und Schnorcheln am Riff verbracht und Studien über Korallen durchgeführt. 1995 trat sie als Vollzeit-Forscherin dem AIMS-Institut bei. Dort leitet sie heute das Programm Ecological Intelligence for Reef Restoration und ein Team von über vierzig Forscherinnen und Studenten. Es werden die natürlichen Grenzen der Regeneration von Riffen angesichts zunehmender Beeinträchtigungen erforscht. «Mit Hilfe von Modellbauern wollen wir herausfinden, wo, wann und welche Art der Restauration bestimmten Arten von Korallenriffen zu Gute kommen kann», sagt sie.

 

 

Fabricius Hauptaugenmerk liegt auf den Meeresfächer-Korallen. Bei ihrer Arbeit kommt sie immer wieder zufällig mit besonderen Meeresbewohnern in Kontakt. «Einmal schaute ich von meiner Korallenuntersuchung auf. Da kam ein großer Walhai auf mich zu, und ich dachte: Was bin ich froh, dass das ein Plankton-Fresser ist! Es war buchstäblich so groß wie ein Bus.»

Walhaie sind fügsam und interagieren nicht wirklich mit Tauchern, sie schwimmen einfach vorbei. Fabricius war zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Solche Begegnungen hat sie immer wieder. Junge Zwergwale sind verspielt und neugierig. Beim Schnorcheln hat sie schon erlebt, wie die Tiere begannen mit ihr zu interagieren, sich zu drehen und die Bäuche zu zeigen. Einmal dauerte das Spiel über 45 Minuten lang. «Wir mussten irgendwann zurück zum Boot, aber die Zwergwale hörten einfach nicht auf mit uns zu spielen.»

Weichkorallen sind vorwiegend vegetarisch.

Geboren und aufgewachsen in München, erhielt Fabricius 2004 die australische Staatsbürgerschaft. Ursprünglich erzählte sie ihren Eltern, dass sie nur für sechs Monate in Townsville bleiben wolle. 34 Jahre später hat sie ein Buch über Weichkorallen und Meeresfächer im Indo-Pazifik sowie über 200 Beiträge in führenden internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht. Die 58-Jährige gilt auch als erste Forscherin, die entdeckte, dass Weichkorallen «vorwiegend vegetarisch» veranlagt sind. Auch wenn Korallen wie Pflanzen aussehen, sie sind Tiere − koloniebildende Nesseltiere.

Es ist der Meeresbildhauer Jason DeCaires Taylor, der von Fabricius Arbeit inspiriert das Unterwasser-Kunstwerk erschaffen hat. Mit der Skulptur im Meer ehrt er ihr unerschütterliches Engagement für die Maßnahmen zur Erholung des Riffs. Übersäuerung der Meere, schlechte Wasserqualität und globale Erwärmung, diesen Herausforderungen stellt sich Katharina Fabricius und setzt sich weiterhin unermüdlich für die Korallen ein. ♦

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