Der argentinische Präsident Javier Milei kündigt in seinen ersten Amtswochen zahlreiche soziale Kürzungen an. Dagegen wehren sich die Leute. Im südamerikanischen Land kam es letzte Woche zu einem nationalen Streik. Dem schlossen sich auch Menschen in Bern an.
Jovial, lässig, in Lederjacke, so sieht man ihn auf Fotos oft. Alleine schon wegen seiner Art, sich anzuziehen, und wegen seiner aerodynamischen Frisur hebt Javier Milei sich von anderen Staatsoberhäupten ab. Als der argentinische Präsident vor rund zwei Wochen am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos seine Rede hielt, warf er sich in einen Anzug. Weniger elegant waren bei seinem ersten internationalen Auftritt allerdings seine Worte: «Soziale Gerechtigkeit ist nicht gerecht, sie ist inhärent ungerecht, weil sie auf der Erhebung von Steuern beruht.» Oder: «Diese lächerlichen Auseinandersetzungen zwischen Männern und Frauen! Der Feminismus führt zum Sozialismus.» Milei warnte den Westen regelrecht vor den Feministinnen.
Der Ultraliberale trat sein Amt als Präsident Mitte Dezember an. Sofort leitete er eine Reihe von Reformen ein. So will der 53-Jährige unter anderem zahlreiche Staatsbetriebe privatisieren, sozialen Institutionen das Geld kürzen, das Arbeitsrecht liberalisieren uind das Versammlungsrecht stark einschränken.
Inflation über 200 Prozent
Gegen alle diese Ankündigungen riefen letzte Woche die größten Gewerkschaften Argentiniens zum Streik auf. Die Organisatoren sprechen von 1,5 Millionen Personen, die landesweit auf die Straße gegangen seien. In der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires schätzte die Polizei die Zahl der Protestierenden auf 130.000, die Gewerkschaftszentrale dagegen bezifferte sie auf 600.000. Wie viele Menschen am Ende auf der Straße waren, bleibt unklar.
Sicher ist, dass der Streik mit einer großen internationalen Unterstützung rechnen durfte. In mindestens fünfzig Städten in Lateinamerika und in Europa – darunter Brasilia, Santiago de Chile und Mexiko City oder Paris, Rom und London – gingen zur gleichen Zeit Auslandsargentinier und andere Lateinamerikanerinnen auf die Straße. In der Schweizer Hauptstadt Bern versammelten sich mit argentinischer Fahne Leute vor dem Hauptbahnhof. Und mit den Worten «Argentina no se vende» – Argentinien wird nicht verkauft – taten sie ihren Unmut über Mileis Privatisierungen kund. In Genf protestierten Menschen vor den Vereinten Nationen.
Argentinien steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, mit hoher Inflationsrate. Seit 2020 steigt die Rate kontinuierlich, im Dezember 2023 lag sie bei über 200 Prozent. Und seit Milei im Amt ist, wächst die Teuerung besorgniserregend weiter. Vor allem die Kosten für Gesundheit, Transport und Lebensmittel ziehen kräftig an. Die Armut in der Bevölkerung nimmt zu. Gerade bei sozialen Projekten, die die finanziell Schwächeren unterstützen, möchte Milei den Geldhahn zudrehen. ♦
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