Das Weltwirtschaftsforum 2023 findet vom 16. bis am 20. Januar statt. Es wird von verschiedenen Seiten heftig kritisiert. Unter anderem wegen der hohen Sicherheitskosten, die die Schweizer Steuerzahler tragen.
Heute beginnt das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos. Das jährlich stattfindende Treffen findet diesmal unter dem Motto «Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt» statt. Im Fokus stehen unter anderem Energie- und Nahrungsmittelkrise, Inflation und Verschuldung, Klimaschutz sowie der Ukrainekrieg. Bei der 53. Durchführung des WEF werden mehr als 2500 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur erwartet, darunter rund 50 Staats- und Regierungschefs.
Nach Angaben der Schweizer Behörden stehen beim WEF jeweils zwischen 200 und 300 der Teilnehmenden unter völkerrechtlichem Schutz. Zum Beispiel Staatsoberhäupter, Ministerinnen oder hochrangige Vertreter internationaler Organisationen. Dies erfordert hohe Sicherheitsvorkehrungen. Allein der Polizeischutz kostet laut der Schweizer Tagezeitung NZZ rund neun Millionen Franken. Zum Großteil werden diese Kosten vom Kanton Graubünden und der Gemeinde Davos getragen – also von Schweizer Steuerzahlern. Auch aus dem nationalen Budget werden jährlich zweieinhalb Millionen Franken beigesteuert.
Krise auf der Welt
Die Organisatoren des Forums betonen, dass sich die Welt in einer schweren Krise befindet. Die Folgen der Pandemie und des unerwarteten Krieges zwischen Russland und der Ukraine würden die weltweite Unsicherheit erhöhen. Dies habe zu einem starken Rückgang des Wachstums und zu einem deutlichen Anstieg der Armut geführt. Die steigenden Kraftstoff- und Lebensmittelpreise hätten im vergangenen Jahr weltweit zu Protesten und Streiks geführt, und diese Situation dürfte sich noch verschärfen.
Jüngste Studien des Internationalen Währungsfonds und anderer multinationaler Organisationen senken die Wachstumserwartungen für 2023 auf 2,7 Prozent und gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft stärker geschwächt wird als erwartet. Die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) hält in ihrem Bericht Sozialpanorama 2022 fest, dass 201 Millionen Menschen dieser Region – 32,1 Prozent der Bevölkerung – in Armut leben und 82 Millionen in extremer Armut.
Krise in Davos
Das WEF betrachtet sich als wichtigen Ort für die Bewältigung aktueller Probleme, mit denen die Welt durch die vorherrschende Wirtschaftsordnung konfrontiert ist. Doch es gibt viele kritische Stimmen gegen diese Veranstaltung. Die Newsplattform Swissinfo zitiert in diesem Zusammenhang auch die Patriotic Millionaires. Dabei handelt es sich um eine Vereinigung von mehr als 100 vorwiegend amerikanischen Wohlhabenden, die bereits letztes Jahr eine sehr kritische Beurteilung des WEF abgaben. «Die Wahrheit ist, dass Davos im Moment das Vertrauen der Welt nicht verdient», schrieb die Gruppe letztes Jahr in einem offenen Brief. «Trotz der unzähligen Stunden, die damit verbracht wurden, über die Verbesserung der Welt zu sprechen, hat die Konferenz inmitten einer Flut von Selbstbeweihräucherung nur wenig greifbaren Wert geschaffen.»
Morris Pearl, der Vorsitzende der Patriotic Millionaires, wiederholte vor Kurzem, das WEF sei ein Symbol der Ungleichheit. Es werde eine riesige Menge Geld mit der Veranstaltung gemacht, da für die Teilnahme Gebühren verlangt werden. «Ich habe aber keine handfesten Beweise dafür gesehen, dass die Leitenden oder die Teilnehmenden der Konferenz vorhaben, den Kurs dieser wachsenden Ungleichheit zu ändern.»
Privatjets stoßen in einer Woche gleich viele CO2-Emissionen aus wie 350’000 Autos.
Auch Greenpeace weist auf die tiefgreifenden Widersprüche zwischen der Rhetorik und den konkreten Praktiken des WEF im Umweltbereich hin. «Die Reichen und Mächtigen strömten nach Davos, um über Klima und Ungleichheit zu diskutieren. Dabei benutzen sie das weltweit umweltschädlichste Verkehrsmittel: den Privatjet», betont Greenpeace in einer Medienmitteilung von letzter Woche.
Laut einer Studie des niederländischen Umweltberatungsunternehmens CE Delft hätten sich Flüge mit Privatjets während des Weltwirtschaftsforums 2022 im Vergleich zum üblichen Verkehrsaufkommen verdoppelt. Die Privatjets stießen in einer Woche gleich viele CO2-Emissionen aus wie 350’000 Autos. Von diesen Flügen war mehr als die Hälfte kürzer als 750 Kilometer – eine Strecke, die leicht mit dem Zug oder dem Auto hätte zurückgelegt werden können. 38 Prozent waren Ultrakurzflüge von weniger als 500 Kilometern, der kürzeste aufgezeichnete Flug betrug nur 21 Kilometer.
80 Prozent der Weltbevölkerung ist laut Greenpeace noch nie geflogen, leidet aber unter den klimaschädlichen Emissionen des Luftverkehrs. Diese jährlichen Privatjet-Partys sind scheinheilig angesichts der Tatsache, dass das WEF behauptet, sich dem in Paris festgelegten 1,5°C-Klimaziel verpflichtet zu fühlen.
Derweil findet im Zürcher Volkshaus die Veranstaltung «Das andere Davos» statt, die sich als Gegenveranstaltung zum WEF bezeichnet. Unter dem Motto «Solidarisch gegen Inflation, Klimakatastrophe und Krieg» führt die Organisation Bewegung für den Sozialismus am 13. und 14. Januar diverse Veranstaltungen zu denselben Themen durch, die am WEF behandelt werden – jedoch aus einer anderen Perspektive, die ökologische und solidarische Aspekte ins Zentrum stellen. ♦
Sergio Ferrari, argentinischer Journalist und Buchautor mit Sitz in Bern, schreibt für Tentakel sowie für diverse Medien in Europa und Lateinamerika, unter anderem für Le Courier (Schweiz), die Nachrichtenagentur ALAI (Ecuador), Sur America Press (Schweden) und El Mercurio (Spanien).
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