Mensch. Gesellschaft. Meer.

Heikler Tiefseebergbau

Rohstoffsuche auf dem Meeresgrund

Der Wettlauf um Ressourcen in den Meeren ist in vollem Gange. Konzerne erhoffen sich Zugriff auf zahlreiche Metalle. Kritiker befürchten unkalkulierbare Risiken für Ökosysteme und Menschen. Ein Gastbeitrag.

Korallriffe sind bedroht bei Rohstoff-Abbau. Foto: Katrin Knogler

Emmanuel Macron positionierte sich erneut deutlich: Er unterstütze ein Verbot des Tiefseebergbaus, erklärte er diesen November auf der UN-Weltklimakonferenz COP27 im ägyptischen Scharm el-Scheich. Bereits im Juni hatte der französische Präsident auf der UN-Ozeankonferenz in Lissabon Gesetze gegen die Rohstoffjagd in der Tiefe gefordert.

Frankreichs Haltung folgt auf eine Forderung, die Deutschland im April auf der Ratstagung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) erhoben hat, und zwar «vorsorglicherweise» eine Pause beim Tiefseebergbau einzulegen. Die ISA ist das für Tiefseebergbau zuständige UN-Gremium im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen. Neuseeland kündigte jüngst an, ein vorläufiges Moratorium – sprich einen zeitlichen Aufschub – für Tiefseebergbau in internationalen Gewässern zu fordern.

Die Zahl der Staaten, die Vorsorgemaßnahmen für Tiefseebergbau verlangen, wächst zusehends. Nebst Frankreich, Deutschland und Neuseeland verlangen dies unter anderem auch Chile und einige andere Pazifische Inselstaaten wie Fidschi, Vanuatu, Papua-Neuguinea oder Französisch-Polynesien.

Die ISA hat bislang kein international gültiges Regelwerk für den Rohstoffabbau auf Meeresboden in internationalen Gewässern aufgestellt. Diese Gewässer unterliegen keiner nationalen Rechtsprechung, sondern werden durch das Seevölkerrecht reguliert, das den Meeresboden und die in der Tiefsee enthaltenen Ressourchen als gemeinsames Erbe der Menschheit definiert. Ihren Sitz hat die ISA in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston. Sie ist gleichzeitig für die Vergabe von Erkundungs- sowie Abbaulizenzen als auch den Schutz der Rohstoffvorkommen zuständig. Staaten und Unternehmen beantragen zunächst Erkundungslizenzen, um herauszufinden, ob sich der Abbau in dem jeweiligen Gebiet lohnen würde. Bis heute wurden noch keine Abbaulizenzen vergeben.

Seit 2012 setzen sich unter anderem zivilgesellschaftliche Gruppen aus der Pazifikregion, soziale Bewegungen, Fischereiverbände und Kirchen für ein weltweites Verbot des Tiefseebergbaus ein. Sie unterstützen die Ankündigungen und politischen Positionen, die von einer Pause, einem Stopp, einem Moratorium bis hin zu einem Verbot durch die Vertragsparteien der ISA reichen.

Umgrabungen für Manganknollen

Der Tiefseebergbau ist die jüngste in einer Reihe von zerstörerischen Industrien, die in unsere Ozeane vordringen. Auf dem Meeresboden lagern Unmengen von Metallen wie Kupfer, Kobalt, Gold oder Seltene Erden. Im Fokus steht nun vor allem die so genannte Clarion-Clipperton-Zone zwischen Mexiko und Hawaii, wo in Manganknollen viele Milliarden Tonnen an Rohstoffen vermutet werden. Manganknollen sind Mineral-Aggregate, die vorwiegend aus Verbindungen von Mangan und Eisen bestehen, aber etwa auch Kobalt enthalten – nötig für Akkus.

Rohstoffkonzerne rechtfertigen den Tiefseebergbau damit, dass dank ihm die nötigen Rohstoffe für Zukunftstechnologien und für die Energiewende über einen längeren Zeitraum sichergestellt werden können. Zudem sei der Tiefseebergbau weniger umweltschädlich als an Land. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dagegen beteuern, dass Tiefseebergbau zu irreversiblen Schäden und zur Zerstörung der biologischen Vielfalt und von teils unbekannten Ökosystemen führen wird. Zudem könne er die wirtschaftliche Existenz der Länder aufs Spiel setzen, die stark von der Fischerei abhängen. Lärm und Lichtverschmutzung würden die Lebewesen in der Tiefsee beeinträchtigen. Um die Manganknollen zu «ernten», müsste der Meeresboden großflächig umgegraben werden. Es bestünde die Gefahr, dass dabei riesige Schmutzwolken aus Sedimenten entstehen, die sich jahrelang im Ozean halten könnten. Kurzum: Die Folgen wären unkalkulierbar.

Das lebende blaue Herz

Zum jetzigen Zeitpunkt sollte also die ISA keine Lizenzen erteilen. Die Priorität sollte stattdessen darin liegen, ihre anderen Anliegen zu stärken: Die Grundsätze der Generationengerechtigkeit zu bewahren, zu schützen und sicherzustellen, um dem gemeinsamen Erbe der Menschheit keinen Schaden zuzufügen. Der Ozean ist das lebende blaue Herz unseres Planeten.

Mitte April zog der Inselstaat Tuvalu als eines der ersten Länder der Welt seine Unterstützung für den Tiefseebergbau zurück. Er begründete seinen Entscheid damit, dass er schwerwiegende Bedenken wegen der möglichen Umweltauswirkungen habe. Zuvor hatte Tuvalu für die Bergbaufirma Circular Metals Ltd. bei der ISA eine Explorationslizenz erzwingen wollen. Die ozeanischen Kleinstaaten spielen eine besondere Rolle im Tiefseebergbau, da sich bereits innerhalb ihrer «ausschließlichen Meereszonen» zahlreiche Rohstoffe befinden.

Die Forderungen nach einem Stopp des Tiefseebergbaus kommen zu einem für den Planeten kritischen Zeitpunkt. Der Zustand unserer Ozeane verschlechtert sich aufgrund menschlicher Aktivitäten stetig. Es ist daher notwendig, sie zu schützen und zu erhalten. Die Meere gehören gehören auch heute noch zu den stabilsten Kohlenstoffsenken, während die Wälder aufgrund menschlicher Eingriffe immer mehr beeinträchtigt werden. Der Tiefseebergbau stellt eine erhebliche Bedrohung für die Kohlenstoffsenken der Welt dar. Es könnte Methan am Meeresboden freigesetzt werden, das als Treibhausgas schädlicher als Kohlendioxid ist.


Maureen Penjueli ist Koordinatorin der Nichtregierungsorganisation Pacific Network on Globalisation (PANG) mit Sitz auf den Fidschi-Inseln.

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