Wenn es um Menstruation geht, kochen die Emotionen bisweilen über. Auch Frau Müller lässt dieses (überaus umfangreiche) Thema natürlich nicht kalt und als menstruierende Person hat sie einiges dazu zu sagen.
In den letzten Wochen ploppte das Thema Periode in der Öffentlichkeit gleich zweimal auf: Zuerst äußerte sich US-Skistar Mikaela Shiffrin nach ihrem Weltcupsieg ganz frei über ihre zyklusbedingte Müdigkeit. Der ORF-Reporter übersetzte das englische «cycle» allerdings statt mit monatlichem «Zyklus» mit monatlichem «Radfahren», ein Fehler, der ein großes Echo auslöste: Viele Zuschriften erreichten daraufhin den Herrn, in der Annahme, dass die Fehlübersetzung das Ergebnis von Verlegenheit oder Unwissenheit sei.
Klare Worte fand auch Skispringerin Anna Rupprecht, die mit dem deutschen Team die Goldmedaille holte, obwohl sie sich, wie sie zu Journalisten sagte, durch ihre Regelschmerzen «scheiße fühle». Rupprecht wünscht sich vor allem einen offeneren Umgang mit dem Thema Menstruation. Zurecht, denn seltsamerweise wird im Sportbereich kaum darüber gesprochen, wieviel Einfluss diese auf die Leistungsfähigkeit hat.
Solche Aussagen bleiben natürlich in den sozialen Medien nicht unkommentiert, vor allem auch von Männern (und glauben Sie mir, nichts ist schlimmer als Männer, die einem die Perioden-Welt erklären wollen und alles was damit zusammenhängt). Das Thema erhitzt ganz offensichtlich die Gemüter, meines inklusive.
Bei manchen Kommentaren überfällt einem gar das Bedürfnis, einfach nur zu weinen. So wahlweise unempathisch, unwissend oder ignorant sind diese. Von «Unnötiges Thema» (klar, betrifft ja nur etwa die Hälfte der Menschheit) bis «Das ist doch längst kein Tabu mehr» reichen die nämlich. Ach so, kein Tabu mehr. Warum verstecken erwachsene Frauen ihre Periodenprodukte auf dem Weg zum Klo («Muss ja keiner mitbekommen»), schleppen sich trotz Beschwerden zur Arbeit («Deswegen kann ich doch nicht daheimbleiben») und sagen nicht geradeheraus, dass in ihrem Uterus gerade gefühlt eine Schlacht stattfindet («Ist mir peinlich»)? Genau, weil es so enttabuisiert ist. Nicht. Denn immer wieder kommt es vor, dass offene Worte zur Periode Menschen sprachlos oder verlegen machen.
Woher kommt das? Mythen über die Blutung gab es schon immer und gibt es noch. Vor allem darüber, was die Menstruation so alles auslösen kann: Kühe unfruchtbar und Hunde wahnsinnig machen, Ernten vernichten, Stürme auslösen und die Gärung von Bier verhindern, um nur einige der Seltsamsten zu nennen. Und bis heute gibt es Regionen, in denen Frauen sich während der Blutung isolieren müssen, weil sie als unrein gelten.
Auf der anderen Seite wurden dem Monatsblut auch viele positive Eigenschaften zugeschrieben, war es Bestandteil von Liebeszauber und sollte vor bösen Mächten schützen. Eine objektive medizinische Auseinandersetzung mit der Periode fand erst sehr spät statt, ab dem 20. Jahrhundert. Vor allem aber gab es für viele Menschen einen Zusammenhang zwischen dem weiblichen Zyklus und dem Zyklus der Natur und den Mondphasen, und viele Frauen lebten auch nach diesem Rhythmus. Damit war seit der Industrialisierung und der Anpassung der Arbeitswelt und des Alltags an die männliche Hälfte der Bevölkerung Schluss.
Dass aber viele Menschen mit Zyklus nicht immer volle Leistung bringen können, ist ein Fakt und veranlasste Spanien erst kürzlich zu einem Gesetz, das Menstruierenden freie Tage bei Menstruationsbeschwerden ermöglicht, genannt «Menstruationsurlaub». Mit dem Begriff hab ich so meine Probleme. Weckt das Wort doch Assoziationen, dass betreffende Personen es sich außerhalb der Arbeit lustig machen. Davon kann bei Beschwerden wohl kaum die Rede sein, fragen Sie da mal mich oder andere «Mitglieder des Endometrioseclubs».
Seien wir doch mal ehrlich, wäre die Periode wirklich kein Tabu mehr, bräuchten wir kein Gesetz über freie Tage, sondern könnten uns ohne Scham mit der gleichen Selbstverständlichkeit krankmelden, wie bei anderen körperlichen Beschwerde auch. Denn auf den Zyklus achten hat nichts mit Urlaub, Egoismus oder Wehleidigkeit zu tun, sondern ist schlicht und ergreifend Gesundheitsvorsorge und Selfcare.
Und sollten Vorgesetze das so gar nicht einsehen wollen, hat die Comedienne Michelle Wolf einen Tipp: Sagen Sie auf der Arbeit einfach, dass Ihnen blutiges Gewebe aus einem Loch fällt. Das sollte wohl dann auch die letzten Vorgesetzten überzeugen. ♦
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