Mensch. Gesellschaft. Meer.

Serie «Inklusion» Teil 5

Wer kuschelt, ist glücklicher

Viel mehr Zeit sollte man haben, um miteinander zu knuddeln, findet Hanna Gugler. Aber alles sei so verplant, die Politik müsste das ändern. Im Übrigen: Ihre Mama arbeitet viel und schnarcht, wenn sie auf der Coach schläft. Eine Kolumne.

Foto: Stefan Fürtbauer

Ich mag meine Mama ziemlich sehr gerne und ich brauche meine Mama immer zum Knuddeln, aber die nervt das fast immer jeden Tag.

Meine Mama arbeitet viel, damit sie viel Geld verdient und sich um mich kümmern kann und ich auch was zum Essen habe. Ich bin immer so stolz auf meine Mama, die macht alles für mich. Sie macht die Wäsche und auch das Wäsche aufhängen, auch den Haushalt und auch Timmy, unseren Hund, füttern und auch Gartenarbeit. Jeden Tag und jede Nacht. Und meine Mama arbeitet sehr viel und hat kaum Zeit für mich, wenn ich immer schreie: «KOMM KNUDDELN!»

Ich finde, alle sollten mehr mit ihrer Mama kuscheln, aber die Leute müssen ständig arbeiten oder telefonieren und haben keine Zeit zu knuddeln. Ich glaube, deshalb muss sich auch die Politik verändern, dass nicht alle so verplant sind.

Zum Beispiel könnten die Leute nur vier Tage arbeiten, weil meine Mama müsste weniger arbeiten, dann hätte sie mehr Zeit zum Knuddeln. Sie arbeitet 50 Stunden, glaube ich. Ich arbeite 20 Stunden und ich habe keinen Stress. Menschen geht es besser, wenn sie nicht arbeiten, sondern knuddeln. Das sagen Studien: Wer viel kuschelt, ist nämlich glücklicher, das liegt vor allem an einem Hormon, das Oxytocin heißt. Und auch wenn wir weniger arbeiten, geht es uns und der Umwelt besser. Darüber habe ich auch schon einen eigenen Text geschrieben.

Ich mag am liebsten mit meiner Mama knuddeln, aber wenn ich immer auf meiner Mama draufhänge wie ein Faultier, dann mag sie das nicht und dreht voll durch. Sie rennt immer wieder davon, wenn ich kuscheln will, und sie schaut meistens auf ihr blödes Handy und sie geht schlafen, wenn die Entscheidung von Dancing Stars anfängt, meine Mama interessiert sich null für die Sendung. Meine Mama braucht manchmal auch Ruhe von mir und das braucht meine Mama immer jeden Tag, aber wie soll ich das machen, wenn ich knuddeln möchte?

Meine Mama schläft immer auf der Couch und schnarcht  so laut, und ich höre sie immer, wenn meine Mama schnarcht, und das mag ich sehr gerne. Meine Mama ist meine geliebte Mama und ich bin immer so stolz auf meine Mama Sonnenschein.

Meine Mama hat auch gesagt: «Ich hab dich so sehr lieb», und ich habe auch gesagt: «Wirklich?» und dann hat meine Mama gesagt: «Ich hab dich noch mehr lieb», und mein Papa hat mich auch so sehr lieb.

Meine Mama und ich knuddeln jeden Tag und jede Nacht, immer wenn ich das Knuddeln brauche.

P.S. Meine Mama wird die Geschichte kriegen, die ich grad schreibe über meine geliebte Mama, und meine Mama wird wirklich so voll Freude weinen über diese Geschichte. ♦


Hanna Gugler ist seit den Anfängen des Magazins andererseits in Wien mit dabei. In ihren Kolumnen schreibt die 26-Jährige am liebsten über Nudelsalat und die Liebe. Wenn sie nicht schreibt, arbeitet sie teilzeit in einem Bio-Markt in St. Pölten. Sie ist mit Trisomie 21 auf die Welt gekommen und lebt mit ihren Eltern in Niederösterreich.

 

Zeitschrift andererseits ­– Journalismus für alle!

andererseits ist das erste unabhängige österreichische Medium, bei dem auch Menschen schreiben, die in anderen Redaktionen keinen Platz finden. Die Online-Plattform wurde 2020 gegründet, steht für Inklusion im Journalismus und finanziert sich über Abonnenten und Spender. Zurzeit sind 25 Menschen mit und ohne Handicap auf Honorarbasis bei andererseits beschäftigt. Die Redaktion ist dieses Jahr für den Grimme Online Award nominiert.

www.andererseits.org

Alle Teile der Serie «Inklusion» finden Sie hier.

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