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Spanien

Bittersüßer Lebenssaft

In Spanien gilt Olivenöl als sehr gesund und gehört zum Alltag. Aber das Öl ist teuer geworden. Denn die Olivenernte ist dieses Jahr mager ausgefallen – und die Inflation trägt auch ihren Teil zu den erhöhten Preisen bei.

Foto: Miguel González

Sie gelten als gesund in Spanien, schon fast als ein Lebenselixier, die grünen Oliven. In der südspanischen Stadt Málaga werden sie zu jedem Bierchen – der Cañita – mitaufgetischt. Es gibt sie in unzähligen Varianten, je nachdem wie sie aufbereitet worden sind. Sie können sehr salzig sein, oder scharf, saftig, eingelegt mit Peperoni oder Zwiebeln, oder mit Kräutern und Knoblauch. Eine Wissenschaft für sich! Und meist ein Gaumenschmaus. Oliven gehören zum mediterranen Lebensgefühl dazu.

Oliven nur zum Bier? Keineswegs. Sie werden auch auf dem Brot zerkleinert als Olivenpaste gegessen, genannt Tapenade, oder als Zutat in zahlreichen warmen, auch kalten Gerichten. Aber beim Essen bleibt es nicht, die ovale Frucht wird darüber hinaus zu Produkten wie Körperlotionen, Gesichtscremes, Seifen verarbeitet. Die meisten Oliven allerdings werden zum sogenannten grünen Gold gepresst: dem Olivenöl.

Und Olivenöl wird vom Morgen bis am Abend aufgedeckt. In den Cafés essen die Spanier und Spanierinnen als Morgenessen oder Zwischenmahlzeit gerne ein Stück Weißbrot, auf das sie reichlich Olivenöl träufeln.

«Olivenöl? Bei uns zu Hause wird es für alles benötigt, nicht nur für den Salat», sagt Miguel González. Dieses Öl sei ja auch sehr gesund, so der Spanier, man könne es ohne Weiteres problemlos mehrmals aufheizen. «Als Apotheker habe ich das alles studieren müssen, die genaue Zusammensetzung des Olivenöls, wie es chemisch aufgebaut ist und so.»

Tut dem Herzen gut

Je mehr man über Olivenöl erfährt, umso mehr überzeugt es, dass man wie die Spanier mit der Flasche neben dem Herd und auf dem Küchentisch haushalten sollte. Zumal die Menschen auf der iberischen Halbinsel sowieso schon in einigen Studien als die Gesündesten der Welt eruiert werden konnten, gerade auch dank der Ernährung.

Also: Das Olivenöl ist reich an gesunden und ungesättigten Fettsäuren sowie an sekundären Pflanzenstoffen und Vitamin E. Es wirkt entzündungshemmend und antioxidativ, schützt also unsere Zellen, und hat einen positiven Einfluss auf Gefäße, Herz und Bluthochdruck. Anders gesagt, Oliven können unter anderem Schmerzen lindern und Herzinfarkten vorbeugen.

Aber klar, um viele Oliven essen zu können, damit man gesund bleibt, braucht es viele Oliven in Spanien. In anderen Worten: gute Ernten – und das wird zunehmend schwieriger. Selbst Olivenbäume, die ja sehr resistent sind, die Wärme und Hitze mögen, können bei sehr hohen Temperaturen in Stress geraten. Die Dürre, von der Andalusien in der letzten Zeit wiederholt heimgesucht wird, hat auch Folgen auf die Ernte der Oliven.

Die Pflege eines Olivenbaums ist nicht sehr anspruchsvoll.

Miguel González, der nahe der Küstenstadt Málaga lebt, sagte vor ein paar Monaten: «Ich fahre heute Abend nach Dilar und gehe die Bewässerung der Olivenbäume kontrollieren.» Dilar ist ein kleines Dorf in Andalusien, das ein paar Kilometer entfernt von der Stadt Granada liegt. Es ist González´ Heimatdorf, wo sein Vater früher auf großen Weiden Schafe, Kühe, Ziegen und Pferde hielt. «Als mein Vater älter wurde und die Arbeit mit den Tieren zu schwer, pflanzte er auf dem ganzen Gebiet Olivenbäume an. Heute sind da über 1000 Olivenbäume.»

Olivenbäume können sehr alt werden, bis zu tausend Jahre alt. Sie haben die Fähigkeit, in kargen und trockenen Erden zu überdauern. Sogar Brände mögen sie überleben, weil sie Wurzeln besitzen, die bis zu sechs oder sieben Meter tief reichen. González´ Bäume sind mittlerweile ein bisschen mehr als dreißig Jahre alt. Sie werden künstlich bewässert.

González stiefelte also nachts im Mondeslicht im Olivenhain herum. Er inspizierte die Bewässerungsanlage und besprühte die Olivenbäume mit verschiedenen Düngemitteln, die unter anderem die Stiele stärken, an denen die Oliven hängen. «Damit sich die Oliven nicht zu früh lösen, auf den Boden fallen und dann verderben», sagt der 50-Jährige, der seit dem Tod des Vaters zum kleinen Familienunternehmen schaut. Im Sommer fuhr González nach seiner Arbeit in der Apotheke wöchentlich zum Olivenhain. Jetzt im Oktober, wo die Hitze zurückgegangen ist, geht er nur alle zwei Wochen. «Die Pflege eines Olivenbaums ist zum Glück nicht sehr anspruchsvoll.» Aber im Vergleich zu früher gebe es weniger Regen.

Der Wassermangel war diesen Sommer in Andalusien so signifikant, dass es in vielen Teilen allerlei, jedoch sinnvolle Restriktionen gab. Unter anderem wurden die Duschen an vielen Stränden abgedreht. Durch die verschiedenen Beschränkungen seit letztem Juni konnten in der Region immerhin zwanzig Prozent Wasser eingespart werden.

Zerkleinert samt Kern in der Mühle

Das Olivenöl wird von Monat zu Monat teurer. Wie gesagt, nimmt durch die klimabedingten Einflüsse der Ertrag der Olivenernte deutlich ab, und damit die Menge des Olivenöls, das produziert wird. Hinzu kommt die andauernde Inflation in Spanien. Unterdessen finden sich im Supermarkt Sicherheitsverschlüsse an den Flaschenhälsen der Olivenöle, die Alarm auslösen. Klar, ein spanischer Haushalt kommt nicht ohne Olivenöl aus. Aber bei diesen Preisen kann sich nicht mehr jeder das Öl leisten.

Andalusien ist Weltmarktführer beim Olivenöl. Wie das in Spanien ansäßige deutschsprachige Online-Magazin Costa Nachrichten vergangenes Jahr berichtete, kommen 75 Prozent der spanischen Produktion und ein Viertel allen Olivenöls auf der Welt aus Andalusien. Das ist beachtlich. Anders gesagt: Andalusien lebt vom Olivenöl.

«In ein bisschen mehr als einem Monat werden wir ernten, wenn die Oliven am Baum gereift sind», sagt González. Gleich nach der Ablese würden die Oliven samt Kern in einer Ölmühle zerkleinert und gepresst. Was man daraus an Masse gewinne, sei immer rund 25 Prozent des Gesamtgewichts. «Das bedeutet: Ernten wir 100 Kilogramm Oliven, haben wir am Ende 25 Liter Olivenöl.»

Gelbgrüner, bittersüsser Lebenssaft. Das Olivenöl war im Mittelmeerraum schon immer etwas Besonderes. Bereits die Griechen benutzten es als Opfergabe. In Spanien ist es wie gesagt ein Grundnahrungsmittel. Mehr noch: Man wächst hier mit dem Olivenöl auf wie mit der Muttermilch. ♦

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