Mensch. Gesellschaft. Meer.

Serie «Recyclieren oder Resignieren» Teil 3

Schnelle Mode vergiftet Flüsse und Märkte

Was passiert mit den Hosen, Mänteln und Schuhen, die wir in die Altkleidersammlung geben? Nicht immer nur Gutes. So türmt sich ein Teil davon in Afrika auf, vergiftet die Umwelt und entzieht lokalen Textilproduzenten die Absatzmärkte. Profit dagegen machen damit die kommerziellen Kleidersammler.

Foto: Nicole Maron

Häufig neue Kleider kaufen, natürlich möglichst billig, und sie dann nur wenige Male tragen – dieser Trend wird als «Fast Fashion» bezeichnet. Schnelle Mode, an der man sich ein paar Tage lang erfreut, doch die eine ganze Kette von Problemen nach sich zieht. Doch leider ist Fast Fashion keine Ausnahmeerscheinung, sondern inzwischen fast zur Regel geworden – vor allem auch, weil die Hersteller davon profitieren. «Fast Fashion ist das aktuell dominierende System im Modekapitalismus», sagt David Hachfeld von der Schweizer Organisation Public Eye. «Dadurch können Kleiderproduzenten in einem eigentlich übersättigten Markt weiter wachsen. Das gelingt nur, indem sie unnötig viele Produkte auf den Markt bringen und den Konsumenten dadurch das Gefühl geben, dauernd etwas Neues kaufen zu müssen. Bei Online-Anbietern wie Shein kommen teilweise hunderte von neuen Kleidungsstücken pro Tag auf die Webseiten.» Das Übermaß an Angebot führt im Endeffekt zu überfüllten Kleiderschränken und zu einer hohen Entsorgungsrate. In Deutschland wandern über eine Million Tonnen Kleider pro Jahr in die Sammlung, in der Schweiz mehr als 50’000 Tonnen – im Schnitt sechs Kilo pro Kopf pro Jahr. Schätzungsweise die gleiche Menge landet in der Mülltonne.

«Dass staatliche Stellen wie die Gemeinden keine Lösung für das Recycling von kaputten Textilien anbieten, ist in diesem Zusammenhang ein Problem», sagt Hachfeld. «Auf den Entsorgungshöfen kann man Plastik oder Glas zurückbringen, und manchmal gibt es Container für noch gute Textilien, doch wo sollen Textilreste und kaputte Kleider hin?» In der EU tritt 2025 eine Gesetzesanpassung in Kraft, die die Trennung von Textilabfällen obligatorisch macht. Die Entsorgung im Hauskehricht wird somit illegal – damit verschärft sich die Frage: «Wohin mit den Altkleidern?»

Export von Altkleidern: lukrativ

Für Public Eye ist die Frage nach dem Nutzen von Altkleidersammlungen ambivalent. Einerseits ist die Weitergabe von Kleidern an andere Menschen ökologisch die sinnvollste Lösung, egal ob sie gespendet, verkauft oder verschenkt werden. Doch da die Menge an entsorgten Kleidern so riesig ist, kann sie nicht mehr bewältigt werden.

Denn das Geschäft mit den Altkleidern läuft etwas anders, als viele Menschen es sich vorstellen. Man hat das Gefühl, einen sozialen Beitrag zu leisten, wenn man seine Kleider in die Sammlung gibt. Falsch gedacht, sagt der Bericht «Vergiftete Geschenke», den Greenpeace dieses Jahr veröffentlicht hat. «Der Export ist ein Versuch, die Probleme der Überproduktion und des Überkonsums auf den Globalen Süden abzuwälzen.» Für die komerziellen Kleidersammler dagegen ist das Ganze ein lukratives Geschäft: Der weltweite Handel mit gebrauchter Kleidung hat sich laut Greenpeace zwischen 1990 und 2004 verzehnfacht. 2021 betrug der Marktwert 36 Milliarden Dollar, und bis ins Jahr 2025 wird ein Wachstum auf 77 Milliarden Dollar erwartet.

Texaid wird von einem privaten Investor betrieben.

Texaid ist der größte Altkleider-Verwerter der Schweiz – er sammelt 32’000 der 50’000 Tonnen, die hier jährlich in der Sammlung landen. Auch wenn an Texaid zwei große Hilfswerke – das Schweizerische Rote Kreuz sowie Solidar Suisse – beteiligt sind, ist das Ganze nicht eine Solidaritätsaktion, sondern ein Geschäft, das von einem privaten Investor betrieben wird, der Savü AG. «Die Nachfrage aus Krisengebieten beansprucht nur einen geringen Teil der gesammelten Menge», deklariert Texaid auf seiner Website. «Es gilt, die große Menge der verbleibenden Gebrauchttextilien nachhaltig und umweltschonend weiterzuverwerten, damit keine zusätzlichen Müllberge entstehen.»

Konkret heißt das: Alles, was noch brauchbar ist, wird gewinnbringend verkauft. Unter anderem nach Osteuropa, Westeuropa, Asien und Afrika. Laut eigenen Angaben werden jedoch rund 42 Prozent des Sammelguts als «nicht mehr tragbar» eingestuft. Ein Teil davon wandert in den Müll, ein Teil kann umfunktioniert und weiterverwendet werden, zum Beispiel als Putzlappen.

Import von Altkleidern: problematisch

Laut Greenpeace landet der Großteil der exportierten Kleidung in Osteuropa und Afrika. Doch mehr als ein Drittel dieser Stücke kann dort gar nicht verkauft werden – weil die Kleider kaputt, verschmutzt oder fürs lokale Klima ungeeignet sind. Sie werden entsorgt, und zwar im großen Stil: Weltweit wird auf diese Weise jede Sekunde eine ganze LKW-Ladung Kleider vernichtet. «Es gibt keinerlei Infrastruktur für die Entsorgung dieser riesigen Mengen an Textilabfällen, und die offiziellen Deponien sind seit Jahren überfüllt», warnt Greenpeace. «Dies führt dazu, dass Textilabfälle überall abgeladen werden, an Siedlungsgrenzen und in Flüssen. Ein Teil wird offen verbrannt, was Gesundheitsprobleme bei den Anwohnern zur Folge hat. Die Verstopfung von Flüssen und Abflüssen kann zudem zu Überschwemmungen führen.»

69 Prozent der Fasern, die für Kleider verwendet werden, sind synthetisch – also nicht biologisch abbaubar. Bei der Entsorgung gelangen diese Mikroplastikfasern in die Umwelt und schließlich auch in die menschliche Nahrungskette. Weltweit werden in der Textilindustrie 3500 verschiedene giftige Chemikalien verwendet, zum Beispiel um die Kleidung bunt zu bedrucken – und auch diese landen in der Umwelt. Insgesamt ist die Modebranche für bis zu zehn Prozent der globalen Treibhausemissionen verantwortlich und stellt eine der Hauptursachen für die weltweite Wasserverschmutzung dar.

Lokale Stoffproduzenten verlieren ihre Absatzmärkte.

Doch die immer umfangreicher werdenden Kleiderexporte haben auch soziale und wirtschaftliche Konsequenzen. Auf dem Kleidermarkt der ghanischen Hauptstadt Accra landen jede Woche 15 Millionen gebrauchte Kleidungsstücke aus Europa, Nordamerika und Australien; 40 Prozent davon werden direkt entsorgt. Kenia importiert 185’000 Tonnen Altkleider pro Jahr. Dies bringt den Staaten zwar Zolleinnahmen ein und schafft Arbeitsplätze, doch auf der anderen Seite wird den lokalen Stoff- und Textilproduzenten der Absatzmarkt entzogen. Als Reaktion auf diese Situation haben verschiedene Länder den Import von Second-Hand-Kleidung bereits seit längerem verboten. 2016 hatte die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) vollständiges Importverbot von Altkleidern beschlossen. Uganda, Ruanda und Tansania führten höhere Steuern auf importierte Kleider ein.

Was wir brauchen, sagt David Hachfeld, sind systematische Strategien der öffentlichen Hand. «Initiativen, die Stoffe von alten Kleidern verwenden, um daraus Neues herzustellen, sind super. Genauso wie Kleidertauschbörsen, zum Beispiel die Plattform walk-in closet. Allerdings können solche Initiativen der großen Menge an Second-Hand-Kleidung nicht gerecht werden. Gut wäre, wenn die Wiederverwertung normalisiert würde, so dass zum Beispiel öffentlicher Raum für Kleiderbörsen oder Repair-Werkstätten zur Verfügung gestellt würde. Wenn beim Kauf jedes Kleidungsstücks ein paar Franken draufgeschlagen würden, die dann für solche Angebote genutzt würden, könnte das Ganze finanziert werden.» ♦

Alle Teile der Serie «Recyclieren oder Resignieren» finden Sie hier.


Weiterführende Links:

Mode-Dossier von Public Eye
Kleidertauschbörsen von walk-in closet (Schweiz)


Auch Petflaschen landen im Meer

Genau wie die Altkleider häuft sich Kunststoff-Abfall, den wir «zum Recyceln» sammeln, im Globalen Süden an. Petflaschen, gebrauchte Spritzen, Computergehäuse oder Windeln. Unternehmen im Süden, die den Plastik zum Recyceln importieren, sind ob der schieren Menge überfordert, und so bleibt vieles auf Deponien liegen. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD hat sich die Menge an Kunststoffabfällen zwischen 2000 und 2019 mehr als verdoppelt. Nur sechs Prozent des Materials wird recycelt. Eine Studie der UNO ergab, dass mehr als 70 Prozent des exportierten Plastikabfalls in den Meeren landet, und dass sich die Menge bis ins Jahr 2040 verdreifachen könnte.

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